Wunderjahre

Krebs mit Bewegung bekämpfen 03/07/2016

 

Krebs als Zivilisationskrankheit

Mit längerer Lebenserwartung und veränderten Lebensbedingungen ist das Risiko in der westlichen industrialisierten Welt im Laufe des Lebens an Krebs zu erkranken aktuell auf 50% angestiegen. Das heißt jeder zweite von uns hat statistisch im Laufe seines Lebens mit Krebs zu tun. Gleichzeitig hat sich aufgrund besserer Erkennung, besserer Pflege und Therapie die Möglichkeit Krebs 10 Jahre beschwerdefrei zu überleben auf 50% der Krebserkrankungen zugenommen.

Jeder Krebs ist anders. Manche Menschen werden erblich bedingt von Krebsveränderungen in Ihren Körperzellen heimgesucht. Für die andere große Gruppe spielt der Lebenswandel eine wichtige Rolle bei krebsartigen Veränderungen. Neben der lebenswandelbedingten Krebsentstehung sind verschiedene Krebsarten auch unabhängig vom erblichen oder umweltbedingten Entstehungsmechanismus mehr oder weniger vom Lebenswandel in Ihrer Entwicklung und Ausbreitung beinflußt. Bei bestimmten Krebsarten ist die Interaktion mit dem Immunsystem besonders ausgeprägt, so daß das Immunsystem beeinflussende Faktoren wie z.B. persönliche Lebenseinstellung, Hormonhaushalt, oder der Zustand der körperlichen Fitness eine entscheidende Rolle spielen können. Hautkrebs wird z.B. sehr gut vom Immunsystem erkannt und ist damit sensitiv für Veränderungen des Immunsystems. Brustkrebs oder Prostatakrebs sind weniger sensitiv für Veränderungen im Immunsystem. Die Vielfältigkeit der Krebsarten und ihrer Interaktion mit den Umgebungsbedingungen erfordern spezifische Herangehensweisen in Prävention und Therapie. Es gibt daher sicher nicht nur eine allgemeingültige Lösung für den Umgang mit Krebs. Sind grundsätzlich wichtige Faktoren allerdings für mehrere Krebsarten oder größere Personengruppen mit unterschiedlichen Krebsarten identifiziert und mehrfach verifiziert, so lohnt es sich die Modifikation dieses Faktors nicht nur wissenschaftlich mechanistisch genauer unter die Lupe zu nehmen, sondern auch in entsprechende Verhaltensänderungen in Prävention und Therapie umzusetzen.

 

Bewegungsaktivität als Faktor für Prävention und Therapie von Krebs

Viele Wissenschaftler und Ärtzte glauben daß  ein Großteil der Krebserkrankungen basierend auf Lebensstilfaktoren verhindert werden kann. Grundlage dafür ist die Beobachtung, daß das Auftreten von Krebs in verschiedenen Populationen oder Gesellschaften sehr stark variiert. Ebenso kann Krebs sehr stark in derselben Gesellschaft oder Population über eine Zeitspanne hinweg variieren. so unterscheidet sich zum Beispiel die Brustkrebsrate zwischen Japanischen Frauen und Amerikanischen Frauen deutlich. Japanische Frauen haben weitaus weniger Brustkrebs. Innerhalb von zwei Generationen entwickeln japanische Frauen, die in den USA Leben allerdings dieselbe Brustkrebsrate wie jede andere ethnische Gruppe in den USA. Das verdeutlicht uns , daß etwas im amerikanischen Lebensstil oder den Ernährungsgewohnheiten eine Rolle bei der Entstehung von Krebs spielt. Und es verdeutlicht, daß eine Modifikation dieser Lebensstilfaktoren sehr wahrscheinlich erfolgreich sein kann in Prävention und Therapie von Krebserkrankungen.

Im Laufe der letzten 5 Jahre haben interessante Studien Bewegung und Ernährung als entscheidende Lebensstilfaktoren für die Krebsentstehung ausgemacht und mechanistisch genauer untersucht, um geeignete Strategien zur Gegensteuterung, Prävention, und Therapie zu entwickeln.

 

Bewegungsaktivität beinflußt Krebs in Dickdarm und Enddarm

Dickdarm- und Enddarmkrebs ist einer der meistuntersuchten Krebsarten in Bezug auf seine Entwicklung im Zusammenhang mit körperlicher Bewegung. Mehr als 50 Studien untersuchen das Verhältnis von Bewegung und Krebs.

Eine große Anzahl Studien zeigt konsistent, daß Erwachsene, die Ihre Bewegungsaktivität in entweder der Intensität, der Dauer, oder Ihrer Frequenz erhöhen ihr relatives Risiko Enddarmkrebs zu entwickeln um 30-40% gegenüber bewegungsarmen meist sitzenden Menschen reduzieren. Die stärkste Reduktion des Risikos wurde bei den Personen mit der höchsten Bewegungsaktivität beobachtet.  Der Umfang/die Größe dieses protektiven Effektes körperlicher Bewegung scheint bei hochintensiver körperlicher Aktivität am höchsten zu sein. Optimale Niveaus der Bewegungsintensität sind allerdings aufgrund der Unterschiede zwischen verschiedenen Studien schwer zu bestimmen. Experten schätzen im Moment, daß minimal täglich 30-60 Minuten moderater bis anstrengender Bewegungsaktivität nötig sind, um sich gegen Enddarmkrebs zu schützen.

Weiterhin ist bei hoher körperlicher Aktivität die Überlebenszeit nach der Krebsdiagnose länger. Zudem profitieren Menschen, die den Krebs überlebt haben,von regelmäßiger Bewegung. Nach dem Krebs aktive Menschen mit viel Bewegung werden seltener rückfällig. Zwei in der letzten Zeit durchgeführte klinische Studien zeigen, daß Enddarmkrebs-Überlebende die Bewegungstraining praktizierten länger lebten als passiven Krebspatienten. Diese Beobachtungsstudien suggerieren deutlich daß ein höheres Niveau an körperlicher Aktivität mit einem verminderten Risiko, das Krebs wieder auftritt assoziiert ist.

 

Ist Bewegung ursächlich bei der Überwindung von Krebs?

Obwohl Ursache und Wirkung damit nicht deutlich sind ist anhand all dieser Evidenzen die Wahrscheinlichkeit sehr groß, daß Bewegungstraining und die damit verbundenen körperlichen Mechanismen Krebszellen negativ oder inhibierend beeinflussen. In einem kürzlich in Cell Metabolism publizierten wissenschaftlichen Studie (1, 2, 3) bringt die Arbeitsgruppe um Pernille Hojmann aus Copenhagen in Dänemark etwas Licht in die Sache wie das funktionieren könnte, das Bewegung ursächlich ist, und eröffnet damit Optionen für Prävention und Therapie.

 

Trainierte Labormäuse können besser mit Krebs umgehen

Bewegungstraining mit Labormäusen (Laufrad im Käfig im Unterschied zu normalem Käfig. Die Mausgruppe mit Bewegungsmöglichkeit legte ca. 4km Laufstrecke pro Maus zurück) inhibiert drei verschiedene induzierte Tumoren, Lebertumoren, Hautkrebstumoren, und Lungentumoren. Mäuse mit regelmäßigem Laufradtraining hatten 60% bis 75% kleinere Tumoren in Leber und der Haut. 31% der laufenden Mäuse entwickelten z.B. überhaupt keine chemisch induzierten Lebertumoren. Im Unterschied entwickeln  normalerweise 75% der Mäuse nach chemischer Reizung einen Lebertumor.

In den Tumoren der laufenden Mäuse wurden stark vermehrt wichtige Zellen des Immunsystems gefunden. Zum Beispiel 2-fach mehr T -Killer Zellen, die Tumorzellen erkennen und zerstören können . Sowie mehr als 5-fach mehr sog. Natürliche Killerzellen, Zellen des angeborenen Immunsystems, die abartige Zellen wie Tumorzellen erkennen und abtöten können.

Gentechnisch veränderte Mäuse, die keine T-Zellen generieren können, waren bei Lauftraining nachwievor genausogut in der Lage die Tumorbildung zu inhibieren. Mäuse die vor der Induktion der Tumoren einen spezifischen Antikörper gegen Natürliche Killerzellen verabreicht bekamen der diese Zellen abtötet hatten ein sehr stark reduziertes Reservoir an Natürlichen Killerzellen. In diesen Mäusen ohne Natürliche Killerzellen konnte kein inhibitorischer Effekt des Laufens auf Tumoren festgestellt werden. Natürliche Killerzellen sind damit für den tumorinhibierenden Effekt des Lauftrainings verantwortlich.

Wie beeinflußt nun das Lauftraining der Mäuse die a Natürlichen Killerzellen? Aus vielen anderen Untersuchungen zum Einfluß von Training auf den Körper war deutlich, daß bei Bewegungstraining intensitätsabhängig das Hormon Adrenalin ausgeschüttet wird um Muskulatur und beteiligte Organe optimal aufeinander abzustimmen. In diesem Zusammenhang, in dem Gewebe auf mögliche oder notwendige Anpassungen vorbereitet werden, mobilisiert Adrenalin Natürliche Killerzellen des Immunsystems. Im Tumorexperiment, chemische Induktion von Lebertumoren,  konnten nach Adrenalininjektion um ca. 60% reduzierte Tumoren nachgewiesen werden. Adrenalin ist damit wohl der Hauptwirkfaktor der für die Reduzierung der Tumoren verantwortlich ist. Bewegungstrainning reduziert allerdings noch potenter Tumoren um 74 % in der Leber. Es gibt daher wohl noch andere positive Wirkungen als Adrenalin, die für den starken tumoreduzierenden Effekt des Lauftrainings verantwortlich sind.

Interleukin-6, ein weiteres Hormon, das nach Bewegungstraining erhöht ist hilft dem Immunsystem Tumoren aufzuspüren, und anzugehen. Interleukin-6 ist dabei für die Zielfindung aktivierter Immunzellen verantwortlich. Interleukin-6 sorgt für die Einwanderung aktivierter Zellen ins bedürftige, richtige Gewebe. Bei kombinierter pharmakologischer Behandlung tumorinduzierter Mäsue mit dem zellaktivierenden Adrenalin und dem zielsteuernden Interleukin-6 wurden dann ähnliche Effekte wie durch das Lauftraining bei der Tumorreduktion erzielt. Aktivierung und Zielsteuerung der Natürlichen Killerzellen des Immunsystems werden durch das Lauftraining der Mäsue gefördert.

 

Und nun

Bewegungstraining, Bewegung, und Aktivität reduzieren das Krebsrisiko und erhöhen die Überlebenschancen. Die vielfältigen Mechanismen der positiven Auswirkungen regelmäßiger körperlicher Bewegung auf die Entstehung, Entwicklung, und Genesung von Krebs sind momentan nicht wirklich klar. Es gibt viele Erklärungsmodelle warum körperliche Bewegung so positiv ist bei Krebs. Zum Beispiel aufgrund der verbesserten Energiebalance, die z.B.  weniger schädliche Stoffwechselprodukte entstehen oder sich anhäufen läßt. Körperliche Aktivität beeinflußt auch positiv den Hormonstoffwechsel. Ein durch Bewegung verbesserter Insulinstoffwechsel hat in mehreren Untersuchungen nachgewiesen z.B. vielfach negative Effekte auf die Entwicklung einiger Tumoren. Physische Aktivität vermindert durch den erhöhten Stoffaustausch auch oft die Expositionszeit möglicher Karzinogene im Körper. Weiterhin ist deutlich, daß physische Betätigung eine Vielzahl Entzündungsfaktoren und Mechanismen des Immunsystems stark verändert. Aufgrund der intimen sich gegenseitig vielfältig beeinflussenden Beziehung von Immunsystem und Krebs spielen diese Faktoren bei der Schutzfunktion von körperlicher Bewegung bei Krebs sicherlich eine große Rolle. Die aktuelle Untersuchung aus Dänemark bringt besonders zur Unterstützung der Immunfunktion bei Krebs einige interessante neue mechanistische Einsichten.

Bei der Tumorbekämpfung durch Bewegung oder pharmakologisch mit Adrenalin und Interleukin-6 das Immunsystem zu aktivieren und unterstützen ist anhand dieser Ergebnisse wohl eine klare Aufforderung. Für Bewegungsunfähige Menschen, z.B. behinderte oder sehr alte Menschen,  ergibt sich aus diesen Untersuchungen daher die Möglichkeit in Zukunft Adrenalin und Interleukin-6 pharmakologisch zu verabreichen, um deren Krebs erfolgreich zu behandeln.

Die Übertragbarkeit der Ergebnisse in Mäusen auf den Menschen und aus 3 verschiedenen Tumoren ist dazu noch zu untermauern. Bewegungstraining bringt allerdings wie erwähnt vielfältige weitere körperliche Vorteile für die Auseinandersetzung mit Krebs.  Zum Beispiel emotionale Verbesserungen, Stressreduktion, und Muskelerhaltung als essentielle Grundlage, oder Krankheitskapazität, um besser mit Krankheiten umzugehen. Bewegungstraining hat vielfältige positive Effekte auf den Körper, führt zu körperspezifischen Effekten, und ist einfach und sofort umsetzbar.  Bewegungstraining ist daher für den aktuellen Einsatz einer noch zu überprüfenden pharmakologischen Modulation nur des Immunsystems überlegen. Für Menschen die bewegungsfähig sind sollte daher Bewegungstraining primär bei der Krebsbekämpfung und Krebsvorsorge eingesetzt werden.

Die neuen Einsichten aus der Mauswelt machen nicht nur zum wiederholten Male auf die starke Bedeutung von Bewegung für Prophylaxe und Therapie von Krebs aufmerksam. Sondern sie zeigen bei angenommener Übertragung von der Maus auf den Menschen, daß einfach anwendbare Bewegung wahrscheinlich die beste Möglichkeit für Krebs-Prophylaxe ist und zudem möglicherweise therapeutisch bessere Erfolge bringen kann als die aktuell besten pharmakologisch wirksamen Substanzen. Es wird auch deutlich wie anhand dieser mechanistischen Einsichten Bewegungstraining verbessert oder besser auf Therapie und Prophylaxe ausgerichtet werden kann. Intensiveres Training das zur erhöhten Ausschüttung der förderlichen Immunfaktoren führt, ohne zu Überlasten, ist sehr wahrscheinlich wirksamer als oft propagiertes langgedehntes Herz-Kreislauftraining zur Bekämpfung von Krebs.

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