Spielsinn 08/24/2016
Haben Erwachsene Ihren Sinn fürs bewegte Spielen verloren ?
Eine aktuelle Studie der Universität Tübingen setzt sich mit dem „Spielsinn“ Erwachsener für Bewegung auseinander (Studientext hier). Hintergrund dafür sind die durch Bewegungsarmut immer stärker auftretenden Erkrankungen mit stark erhöhtem Todesrisiko. Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen gehören dazu, ebenso wiee die direkt und indirekt folgende Beeinträchtigung und Verschlechterung des Alterungsprozesses. Die Wissenschaftler wollten durch einfache Beobachtung die sozialen Aspekte und Faktoren genauer untersuchen, die zu mehr oder weniger Bewegung führen. Ein Schwimm-und Badeszenario wurde dazu in Deutschland in einem Freibad und auf Hawaii in einem natürlichen Schwimmbecken genauer untersucht.
Imitation der geringsten Fitness
Frühere Untersuchungen zu Bewegungsaktivitäten in Gruppen zeigten, daß Individuen eher das Verhalten Ihrer am wenigsten fitten Freunde imitieren als das der fittesten Freunde. In der Tendenz geht die Entwicklung dann immer mehr bei allen Beteiligten zu einem Verhalten mit geringem Fitnessbedarf oder weniger Bewegung. Soziales Faulenzen ist ein verwandtes gruppenpsychologisches Phänomen. Einzelne zeigen in Gruppen weniger körperliche und geistige Aktivitäten, wenn ihre Leistungen innerhalb der Gruppe nicht deutlich sind. In Arbeitsteams und Sportmannschaften werden daher zur Erhöhung der Leistung Maßnahmen mit dem prinzipiellen Ziel ergriffen, die Einzelperson im Team besser wahrzunehmen. Vor allem dann, wenn man sich als Individuum und nicht als anonymes, unwichtiges Gruppenmitglied sieht, strengt man sich offensichtlich mehr an oder ist schlichtweg aktiver
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Obwohl soziale Gruppen Motivation bieten, die der einzelne für sich oft nicht aufbringt, bringen sie im Sinne von mehr oder besserer Bewegung nicht unbedingt die beste Unterstützung für die eigene Entwicklung von Bewegungsfertigkeiten. Eine Menge inhibierender sozialer Faktoren sind dabei aktiv. Spielen in Gruppen ist eine hervorragende Möglichkeit Individuen zu persönlichen kreativen Beiträgen zu animieren, da der Leistungsgedanke nicht ganz so im Vordergrund steht und gleichzeitig aber kreative Beiträge einzelner wichtig werden.
Diese sozialen Mechanismen zu “Weniger” sind schwer zu überwinden bei persönlichem Bedarf nach mehr Bewegungsgesundheit. Zudem gibt es auf der Basis unseres aktuellen Lebensumfeldes noch einige weitere sozio-kulturelle Barrieren zu mehr Bewegung. Allen voran die bekannten Verdächtigen: Zeitmangel, Mangel an Möglichkeiten, unzureichende finanzielle Mittel für Sport und Freizeit. Dann sind da noch die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, sowie das negative Stigma eines übergewichtigen und fetten Körpers, aufgrund dessen sich viele Menschen unfähig für Bewegungsaktivitäten fühlen. Und dann gibt es noch einige Untersuchungen, die zeigen, daß die medial und kulturell dominanten Perspektiven bezüglich Bewegungsaktivitäten z.B. als Gegenmaßnahme für erhöhte Nahrungsaufnahme, als Mittel zum sozial attraktiven Körper oder auch als Medizin und Prävention für Krankheiten, die persönliche Perspektive mit der Individuen sich mit Bewegungsaktivitäten auseinandersetzen verändert haben. Insgesamt bewegen wir uns weniger aus eigenem natürlichem Antrieb, Wohlbefinden, Vergnügen, Spiel oder Genuß heraus.
Der Spieltrieb beim Baden auf Hawaii oder in Deutschland ist sozial gehemmt – Inaktivität wird zur Gruppennorm
Die Untersuchung der Wissenschaftler aus Tübingen an zwei geographisch unterschiedlichen Badeplätzen bestätigt deutlich, daß das soziale Umfeld die Bewegungsaktivität von Einzelpersonen stark beeinflußt. Je größer eine Gruppe von Erwachsenen, desto größer ist die Inaktivität der Einzelpersonen. Physische Inaktivität wird zur “Gruppennorm”, da sonst die verbale Kommunikation nicht mehr ausreichend funktioniert oder aufrecht erhalten werden kann. Physische Inaktivität wird das Werkzeug des Gruppendrucks um die Gruppe zu stabilisieren. Wenn Erwachsene an diesen Badeplätzen aktiv werden wollen, müssen sie sich deutlich von der Gruppe absetzen oder von Anfang an in einer sehr kleinen Gruppe oder Einzeln zum Badeplatz kommen.
Weiterhin wurde der Imitationseffekt in dieser Untersuchung bestätigt. Menschen in einer Gruppe nehmen den Aktivitätsgrad des geringst aktiven Gruppenmitglieds an. Aus freundlicher Zuvorkommenheit wird so die Diskriminierung der Personen mit geringster körperlicher Fitness verhindert. Als wichtige Strategie um Inaktivität zu überwinden ergibt sich für die Wissenschaftler das “Aufmerksam-Machen” auf den aktivitätsverhindernden Einfluss dieser Personen. Als Beispiel für eine Veränderungsmöglichkeit werden bisher inaktive oder über-beschützende Eltern hergenommen, die neben der Bewußtmachung aufgefordert werden sollen aktiv mit ihren Kindern zu Spielen statt nur zuzuschauen.
Eine interessante Beobachtung ist auch die größere Spontanität, der erhöhte Spielsinn, und die Fähigkeit physische Aktivität gemeinsam als Gruppe zu feiern, die bei Kindern und Jugendlichen im Unterschied zu Erwachsenen wahrgenommen wurde. Kinder spielen mehr. Auch in einer Gruppe. Aktivität scheint bei Kindern und Jugendlichen nicht nach den gleichen Normen und Regeln zu funktionieren, die bei Erwachsenen diese Aktivitäten eher verhindern. Für Erwachsenen haben körperliche Aktivitäten wohl eher einen asozialen und rein funktionellen Charakter. Wichtige Erfahrungen und Motivationen gehen so für Erwachsene verloren. Erwachsene scheinen auf Basis dieser und anderer Beobachtungen den eigenen essentiell antreibenden Sinn fürs Spiel und für Bewegung verloren zu haben. Extrinsische Motivation der Gesellschaft, wie Gesundheit, Funktionalität, und Attraktivität der körperlichen Erscheinung sind eher kontraproduktiv, oder können die starken, teilweise antrainierten aber wohl auch ursprünglichen sozialen Hindernisse für Bewegung nicht überwinden.
Die Beobachtungen an den beiden Schwimm- und Badeplätzen spiegeln auch wieder, was hier und da in verschiedenen Medien als Rückgang der Spielfähigkeit beklagt wird. Ein interessantes Beispiel dazu ist eine Präsentation des amerikanischen Psychologen Peter Gray, einem, im Rahmen einer TED-Veranstaltung 2014:
Bewegungsspiel als Weg?
Die in und mit den Medien verfolgte Strategie verschiedener Institutionen mit funktionellen Informationen zur Gesundheit von Bewegung Menschen zu mehr Bewegung zu bringen ist vor dem Hintergrund dieser Untersuchungen und der zugrundeliegenden starken sozialen Inhibitionsmechanismen nicht sehr erfolgversprechend.
Eine Strategie oder Initiative Menschen zu mehr Bewegung zu bringen hat bessere Aussichten auf Erfolg, wenn das spezifische soziale Umfeld und seine Auswirkungen mit einbezogen werden. Oder stärker, Interventionen oder Aktivitäten in Richtung mehr Bewegung sind nur wirksam, wenn sie auf der Gruppenebene erfolgen. Das ganze soziale System muß mit einbezogen und verändert werden, sonst sind die Hürden für den Einzelnen zu groß. Die Tübinger Autoren der Badeplatzstudie propagieren als aussichtsreichere Strategie spaßbringende und spontane Aktivitäten, vor allem von Gruppen zu Nutzen, um Menschen zu mehr Bewegung zu bringen. Sozial ansteckende Aktivitäten sollten angestoßen und erleichtert werden. Im Rahmen der Badesituation könnten so Angestellte eines Freiwasserpools eine oder zwei kleine Gruppen animieren oder dazu auffordern als Stimulus für andere Gruppen ein Spiel zu beginnen.
Spielerische Aktivitäten sind in der Lage soziale Hemmnisse auszuhebeln oder zu überwinden. Besonders wenn es nicht um absolute Leistung sondern um jeden Beitrag persönlicher Leistung und Kreativität geht, oder dieser Aspekt hervorgehoben wird. Im Unterschied zum eher spielerisch erkundenden Aspekt bei Bewegung hebt die erfolgreiche Crossfit-Bewegung die Leistung einzelner hervor und befeuert die persönliche Leistungssteigerung in der Gruppe. Sozial ist das sehr motivierend, und die oben angesprochene soziale Faulheit wird so mit dem persönlichen Sichtbarmachen der Leistung und der Unterstützung aus der Gruppe gut überwunden. Dieser Mechanismus ist auch ein wichtiger Grund, warum sich Crossfit aus der Masse der “asozialen” Fitnessbewegungen heraushebt und erfolgreich ist.
Ein Fokus auf Leistung und Arbeitskapazität auch in der Gemeinschaft ist eine begrenzte eindimensionale Perspektive. So wird nur in wenigen Fällen oder in Ausnahmen Bewegung in die Welt gebracht. Der Fokus auf Leistung und Arbeitkapazität schöpft die menschlichen Möglichkeiten zu Bewegung und Lebensqualität und Lebensfreude nie voll aus. Für einen Großteil der Menschen, besonders ältere Menschen oder Menschen mit Limitierungen ist der Leistungsfokus eher demotivierend als aktivierend. Der Leistungsansatz führt daher für viele Menschen nicht weit. Ein auf Vielfalt, Kreativität, und Qualität basierter spielerisch erkundender Ansatz hilft hier, bei der Entwicklung von mehr Lebensqualität sicherlich besser weiter. Motivation und Antrieb sind besser. Lernen ist effektiver. Persönlich wirklich Hilfreiches kann so mit Bewegung einfacher und schneller erreicht werden. Unterstützung und Angebote dafür gibt s in vielfältiger Art. Bei der Suche nach der besten Unterstützung für die eigene bestmöglichen Weiterentwicklung, wird, wenn die eigenen Ziele und der persönliche Sinn geklärt sind, sicher ein passendes Angebot gefunden. So wird die eigene Freude an Bewegung gestärkt und mehr genußvolle Bewegung, die dem Menschen natürlich eigen ist, findet den Weg in die Welt…..und ist im spielerischen Gruppenrahmen auch zusätzlich ansteckend.
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Beitrag von Jürgen Soutschek