Bewegung wirkt – Wissenschaftlicher Rückblick auf 2016 01/24/2017
Tags: Bewegungstraining, Effekte, Mechanismen, körperliche Verbesserung, Krankheit, Alter
Bewegungstraining – in sich selbst investieren
Für sich etwas Gutes tun. Investition in Bewegungstraining ist dabei sehr lohnenswert. Dieser Tenor kommt aus vielen Quellen. Hippocrates ~450 vor Chr. wird als einer der ersten zitiert, die darauf hinwiesen, daß Bewegung chronische Erkrankungen verhindert: „Gehen ist die beste Medizin des Menschen“ und „ Besteht ein Mangel in der Ernährung oder Bewegung wird der Körper krank“.
Damit es etwas in einem selbst bewirkt, damit man sich mehr mit der eigenen Bewegung auseinandersetzt, muß es einen selbst emotional treffen. An Punkten berühren, die für das eigene Leben essentiell sind. Die eigene Gesundheit ist ein solcher berührender Bereich. Und der Verlust der eigenen Gesundheit wirkt in der menschlichen Psychologie viel anregender als ein vages mehr an Gesundheit in der Zukunft. Wichtige Gesundheitsaspekte können verloren gehen. Bewegung kann ein einigen Bereichen diesem Verlust sehr effektiv entgegenwirken. Einblicke in die Möglichkeit durch Bewegungstraining den Verlust von Gesundheit aufzuhalten ist daher sehr bewegungsmotivierend.
Was Bewegung bewirken kann um den Verlust von Gesundheit aufzuhalten hat die wissenschaftliche Fachzeitschrift Nature Reviews in Endocrinology in einem zusammenfassenden Jahresrückblick auf die wichtigsten Untersuchungen zu Bewegung bei Stoffwechselerkrankungen, Krebs, Degeneration der Sehnervenzellen im Auge, und bei Gedächtnisverlust zusammengestellt (Link zur Orginialveröffentlichung hier).
Laut Mark Febbraio, wie in seinem Artikel in Nature Reviews Endocrinology veröffentlicht, waren die folgenden 4 Erkenntnisse die Wichtigsten im Jahr 2016, die es zu Bewegung und wo und wie Bewegung Krankheiten verhindert gibt:
- Ein vom Muskel bei Bewegung produziertes Eiweiß, Cathepsin-B verbessert das Gedächtnis
- Bewegung steuert ein gesundes Gleichgewicht im Stoffwechsel: Bei Bewegung setzt der Knochen das Eiweiß Osteocalcin frei, das im Muskel zur Freisetzung der Botensubstanz Interleukin-6 führt, die dann das Stoffwechselgleichgewicht reguliert.
- Bewegung reduziert das Wachstum verschiedenster Tumoren in der Maus durch die Mobilisierung und Neuverteilung sogenannter Natural Killer Cells aus dem Immunsystem
- Bewegung erhält die hohe hilfreiche Ausschüttung des Botenstoffes BDNF in der Retina des Auges nach einer Verletzung, und erhält so die Funktion der Nervenzellen des Sehsystems
Bewegung verbessert das Gedächtnis
Seit mehreren Jahren nun wird in vielen Untersuchungen gezeigt, daß bei Bewegung ein Organ mehrere verschiedene Eiweiße, Stoffwechselprodukte, und Botenstoffe freisetzt und den Stoffwechsel anderer Organe im Körper damit beeinflußt. Besonders die Bedeutung des sich bei Bewegung kontraktierenden Muskels als vielfältig wirksames Stowechsel- und Hormon-Organ wurde so offensichtlich. Aktive Muskulatur hat mehr positive Auswirkungen auf den Körper als bisher angenommen. Wie auch schon oft auf diesem Blog beschrieben verbessert Bewegung Gehirnfunktionen und kognitive Leistungen.Die Studie von Moon et al. (Abstract hier) beschreibt eindrücklich die Auswirkung aktiver Muskulatur auf unser Gehirn, spezifisch unser Gedächtnis. Im Verlauf der Untersuchungen wurde deutlich was aktive Muskulatur in unserem Gehirn bewirken kann. In Zellkultur wird z.B. bei Stimulation der Bewegung isolierter Muskelzellen der Eiweißstoff Cathepsin B freigesetzt. Cathepsin B wir vermehrt bei Bewegung im Menschen freigesetzt. Blutwerte von Cathepsin B im Menschen korrelieren mit dem Fitnessniveau und der Gedächtnisleistung. Bestätigend für den Muskelursprung dieses Effektes konnte bei Mäusen ohne Cathepsin B trotz Bewegung kein verbessertes Gedächtnis wie bei sogenannten Wildtyp-Mäusen nachgewiesen werden. Die Studie bringt einen weiteren unterstützenden Baustein für die Vorbeugungs-Perspektive: Bewegung verzögert Demenz im Alter.
Bewegung moduliert einen gesunden Energiestoffwechsel
Seit einigen Jahren ist schon bekannt, daß Muskulatur über die durch Bewegung ausgelöste Freisetzung von Botenstoffen, den sogenannten Myokinen, den restlichen Körperstoffwechsel beeinflußt. Forschung in Dänemark von Dr. Bente Klarlund Pedersen hat 2003 den Namen Myokine für diese Botenstoffe geprägt. Vielfältig wurde diese Funktion des kontraktierenden Muskels als sekretierendes, hormonell wirksames Organ in der Zwischenzeit beschrieben (Link zu einem zusammenfassenden Artikel von Bente Pedersen hier, oder alternativ eine englische Wikipedia Übersicht hier). Muskulatur ist bei oder in Bewegung sicherlich ein zentrales Organ. Vele andere Gewebe werden durch die Freisetzung von Eiweißen und Stoffwechselprodukten beeinflußt. Allerdings können auch andere Gewebe bei Bewegung diese hormonelle Steuerungsfunktion modulieren. Von Paul Mera und anderen wurde kürzlich in einer vielschichtigen Studie nachgewiesen, daß Knochen bei Bewegung über die Freisetzung des Botenstoffes Osteocalcin in den Stoffwechsel des gesamten Körpers eingreifen (Link zum Abstract hier). Bewegung wirkt über den Zug der Muskeln an Knochen. Zusätzlich beinflussen die bei Bewegung auftretenden Schwer- und Biegungskräfte den Knochen. Bewegung führt daher zu verschiedenen bekannten Anpassungen im Knochen. Bei Bewegungstraining wurde nun auch der im Knochen produzierte Botenstoff Osteocalcin erhöht im Blut nachgewiesen. In der Muskulatur führt das bewegungsabhängig vermehrt ausgeschüttete Osteocalcin zur Erhöhung der Glukoseaufnahme in die Muskulatur. Die Muskulatur schüttet darauf hin mehr vom Botenstoff Interleukin-6 aus. Interleukin-6 sorgt dann in den Fettzellen für eine vermehrte Freisetzung von Fettsäuren und erhöht in der Leber die Produktion von Glukose fördert. Über bei Bewegung sekretiertes Osteocalcin sorgt das Knochengewebe damit insgesammt für eine verbesserte Energieversorgung der Muskulatur.
Die Studie zeigt sehr eindrücklich wie vielfältig Gewebe bzw. Organe bei Bewegung miteinander interagieren und sich gegenseitig beeinflussen. Hier die Interaktion von Knochen-Muskulatur-Leber-und Fettgewebe, damit der Energiehaushalt den Ansprüchen ausgelöst durch Bewegung gerecht wird. Bewegung fordert und fördert immer die Interaktion des gesamten Körpers. Eine Eigenschaft, die sich in Kenntnis der stärksten Interaktionen im Alter z.B. gut zur Beeinflussung individueller Schwachstellen nutzen läßt wobei sich dann auch immer noch zusätzliche andere positive Wirkungen einstellen. Etwas überspitzt ist spezifisches Bewegungstraining damit ein Win-Win-Win-Win.
Bewegung behindert Tumorwachstum
“Die Evidenz großer klinischer Studien zeigt unzweifelhaft, das regelmäßiger Sport nach einer Krebsdiagnose das Überleben um 50-60% erhöht, mit der größten nachgewiesenen Wirkung bei Brustkrebs und Darmkrebs”. Auf diese Weise fassen die australischen Bewegungsforscher Professor Robert Newton und Professor Daniel Galvao (Forschungsinstitut für Bewegungsmedizin, Edith Cowan University, Australien) den Forschungsstand zum Thema Bewegungstraining bei Krebs zusammen. Die positive Wirkung von Bewegungstraining bei Krebs ist sehr überzeugend. Allgemein verringert Bewegungstraining das Krebsrisiko und verbessert deutlich die Prognose für eine Anzahl von häufigen Krebserkrankungen
wie Darmkrebs, Brustkrebs, Prostatakrebs und Gebärmutterkrebs (siehe auch Blog „Krebs mit Bewegung bekämpfen“ vom 7. März 2016 hier).
Trotz der überzeugenden Wirkung von Bewegung bei Krebs sind die dahinterstehenden Mechanismen nicht wirklich klar. Über besserverstandene Mechanismen kann gezielter bei einer Krebserkrankung eine Bewegungstherapie entwickelt oder angepaßt werden. Die Arbeitsgruppe um Pernille Hojmann aus Copenhagen in Dänemark bringt mit ihrer in Cell Matabolism purblizierten Studie Licht in die Sache wie Bewegung bei Krebs helfen könnte. Die Forscher zeigen weiterhin, dass Bewegung ursächlich ist. Anhand der Untersuchungsergebnisse entstehen damit neue Motivationen und Optionen für Prävention und Therapie (Link zum Abstract der Studie hier). Deutlich wird demonstriert welche krebshinderlichen körperlichen Mechanismen durch Bewegung beeinflußt werden. Damit wird bei Krebserkrankten mehr Motivation für Bewegung erreicht. Das Bewußtsein, daß Bewegung auch Medizin sein kann wird geschaffen. Gesellschaftlich und medizinisch erweitert eine derartige Studie die aktuellen Therapien und hilft Strategien im Lebensstil zu verbessern. Insgesammt können so Behandlungserfolge bei Krebs verbessert werden.
Die Studie der Erstautorin Pedersen zeigt, daß Bewegung vielfältige hormonelle und immunologische Aktivitäten erzeugt, die bei Mäusen zur Inhibition des Wachstums verschiedener Tumoren führen. In 4 Wochen hatten die Versuchsmäuse Zugang zu einem Laufrad. Bei 5 verschiedenen Tumoren wurde bei den Laufradmäusen eine Reduktion des Tumorwachstums um mehr als 60% nachgewiesen. Die beteiligten Wissenschaftler zeigten, daß über das Laufen das sympathische Nervensystem aktiviert wurde, was vermehrt zur Ausschüttung des Botenstoffs Adrenalin führt und zudem vermehrt der vom bewegten Muskel stammende Botenstoff Interleukin-6 ausgeschüttet wurde. Durch diese Botenstoffe wurde eine spezielle Einheit von Immunzellen, die sogenannten Natural Killer Zellen, NK Zellen, erst immobilisiert und dann neu verteilt, so daß sie vermehrt an und in den Orten mit Tumoren zu finden waren. Aktivierung und Zielsteuerung der Natürlichen Killerzellen des Immunsystems werden durch das Lauftraining der Mäuse gefördert. NK Zellen können Tumorzellen dann abtöten und das Immunsystem bei der Bekämpfung eines Tumors unterstützen. Tumorwachstum wird so stark eingeschränkt. Bewegung unterstützt also signifikant über verschiedene Mechanismen das eigene Immunsystem in der Bekämpfung von Krebs. Wie gut und bei welchen Krebsarten die Wirksamkeit von Bewegung als Aktivator des eigenen Immunsystems bei Menschen besonders hoch ist, muss in der nächsten Zeit herausgefunden werden.
Eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung der Universität San Diego aus der Arbeitsgruppe von von Hong zeigt, daß bei Menschen schon ein 20-minütiger Spaziergang die Aktivität des Immunsystems signifikant erhöht (Botenstoffe zur Bekämpfung von Entzündungen werden z.B. von mehreren Immunzellen freigesetzt. Link zur Veröffentlichung hier). Auf Basis dieser Untersuchungen gibt es für Motivierte, die mit mehr Bewegung Therapie und Prophylaxe unterstützen möchten eine klare Indikation fürs Training. Intensiveres Training das zur erhöhten Ausschüttung der förderlichen Immunfaktoren führt, ohne zu Überlasten, ist sehr wahrscheinlich wirksamer als oft propagiertes lang gedehntes Herz-Kreislauftraining zur Bekämpfung von Krebs.
Eine neue wirksame Immuntherapie bei Krebs ist wünschenswert, da die aktuell in der Medizin hochgelobte „Checkpoint Hemmung“ des Immunsystems zur Aktivierung von T Zellen gegen Krebs zwar Erfolge aufweisen kann aber mit schwierigen Nebenwirkungen zu kämpfen hat, die eine derartige Therapie nur für wenige verfügbar bzw. brauchbar macht (Kritischer Artikel dazu in der FAZ hier).
Bewegung macht das Sehsystem in der Netzhaut des Auges belastbarer
Der Botenstoff BDNF (Brain Derived Neurotophic Factor) ist auf Basis verschiedener Unterschungen essentiell für die Erhaltung einer gesunden Netzhautstruktur im Verlauf des Alterns und bei Verletzungen oder Erkrankungen des Auges. Im Verlauf des Alters werden besonders die sogenannten Retinalen Ganglienzellen, die Haupt-Nervenzellen im Auge, die die in der Netzhaut verarbeitete visuelle Information über den optischen Nerv ans Gehirn weiterleiten, für Stress empfindlich und verwundbar. In der bemerkenswerten Studie von Vicki Chrysostomou wurde nun gezeigt, daß Bewegungstraining die Menge des Botenstoffs BDNF erhöht, sowie die Retinalen Ganlgienzellen einem erhöhten Augeninnendruck ausgesetz werden, was dazu führt, daß wichtige Nervenverbindungen in der Netzhaut erhalten werden (Link zur PDF-Version der Veröffentlichung hier). Mit Bewegungstraining waren die verletzten Augen der Versuchstiere zum Teil vor negativen Effekten geschützt. Wurde sich nicht bewegt, oder wurde BNDF trotz Bewegung genetisch oder pharmakologisch reduziert entfiel dieser Schutzeffekt der vermehrten Bewegung. In einer ähnlichen Versuchsstrategie wurde 2014 dieser BDNF-vermittelte Schutzeffekt für das Auge, mit Fokus auf die lichtenmpfindlichen Photoreceptoren demonstriert. Bei lichtinduzierten Verletzungen im Auge, wie sie zu einem Teil der im Alter vorkommenden Degeneration im Auge entspricht, erwies sich Bewegungstraining durch die erhöhte Ausschüttung von BDNF für den Erhalt der Photorezeptoren in der Netzhaut als schützend (Link zur Originalpublikation hier). Bewegungstraining bei Mäusen schützt demnach zum gewissen Maß vermittelt über den Botenstoff BDNF vor degenerativen Erscheinungen im Auge, wie sie beim Altern oder auch bei Verletzung auftreten können.
Altersbedingte Degeneration im Auge oder Krankheitserscheinungen wie Makuladegeneration treten immer häufiger auf und führen meist zu fortschreitender Erblindung. Augenerkrankungen im Alter sind daher ein großes Thema. Es sieht so aus, wie wenn anhand dieser Tierversuche durch Bewegung verschiedene Gewebe im Auge robuster werden und möglicherweise dadurch besser mit degenerativen Veränderungen umgehen können. Es bleibt zu hoffen, dass diese neuen Einsichten in die Mechanismen möglichst bald in klinischen Versuchen mit Augenpatienten bestätigt werden. Eine Untersuchung aus dem Jahre 2009 an 40,000 Läufern mittleren Alters deutet an, daß die Übertragbarkeit auf den Menschen sehr wahrscheinlich ist. Läufer mit der höchsten Laufleistung hatten die geringste Wahrscheinlichkeit von der degenerativen Augenerkrankung, der Makuladegeneration, betroffen zu sein (Link zur Originalveröffentlichung hier). Im Jahr 2015 publiziert ergab eine Untersuchung von 1656 Personen im Alter von 40 bis 85 Jahren, daß bei Personen mit Makuladegeneration das Ausmaß der Degeneration negativ mit dem Ausmaß körperlicher Bewegungsaktivität korrelierte (Originalveröffentlichung hier). Menschen mit der stärksten Makuladegeneration waren die Menschen, die sich am wenigsten bewegten. Keine wissenschaftlichen Garantien daher für eine Übertragbarkeit auf den Menschen, aber eine Menge Indizien, daß Bewegung sich durch Verbesserung der Robustheit oder auch andere Mechanismen positiv auf die Augengesundheit im Alter auswirkt.
Bewegung wirkt – wie Medizin
Die vier herausgestellten Untersuchungen belegen sehr stark die vielfältigen Wirkungen von Bewegung auf den Körper. Damit gibt es wieder ein paar überzeugende Evidenzen mehr zur Gesundheitswirkung von Bewegung. Der Blick auf die mögliche Verminderung von Alters- und Krankheitserscheinungen durch Bewegung macht Mut. Es entsteht Motivation mehr Bewegung in seinem Lebensstil und im Umgang mit Erkrankungen einzubauen. Bewegung kann damit klassische Schulmedizin in keinster Weise ersetzen. Die starke Wirksamkeit allerdings zu vernachlässigen oder bei der Pre-habilitation, der Heilung, oder der Rehabilitation verschiedener Altersprozesse oder Krankheiten nicht zu berücksichtigen ist damit beinahe schon fahrlässig. Mit den mechanistischen Einblicken können hilfreiche und therapeutische Ansätze nun besser entwickelt und in ihrer Wirksamkeit weiter überprüft werden. Wichtig dabei ist sicherlich, daß individuell ein geeignetes Reizniveau geschaffen wird, damit Bewegung persönlich optimal wirksam wird. Ein guter Coach oder Trainer hilft hier sicherlich gerne bei der persönlichen Einschätzung von Bewegungsstatus und Zielen und der dazu passenden Entwicklung eines individuellen Programmes.
Für mehr Information, wie individuell optimales Training der Bewegungsfähigkeit Lebensqualität und Gesundheit verbessern kann, einfach digital hier oder telefonisch (+43-6763168643) Kontakt mit Wunderahre aufnehmen.
Beitrag von Jürgen Soutschek