Wunderjahre

Die Oppolzer Sternwarte in Innsbruck – Blick, Haltung, stabile Bewegung 06/25/2018

 

Tags  #InnsbruckmyBrain, #Orientierung, #Reflexe, #Nutzen, #Gesundheit

 

 

Was braucht’s um in die Sterne zu schauen?

 

Mit viel Eigeninitiative stellte Professor Egon von Oppolzer Anfang des 20sten Jahrhunderts jahrelang zusammen, was zum ‚Sternegucken‘ benötigt wird (Infolink der Uni Innsbruck zur historischen Sternwarte hier).

 

Oppolzersche Sternwarte – Sternwartestraße 15, Innsbruck-Hötting Von Leitzsche – Eigenes Werk, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17420862

 

 

Das Resultat war damals die modernste Sternwarte in Österreich. Der mechanische und optische Aufwand ist recht groß, um nachts möglichst genau in den Himmel zu Blicken. 1905 kam das damals modernste Zeiss-Teleskop, das heute noch so betrachtet werden kann dazu. Der durch seinen frühen Tod der Stadt Innsbruck überlassenen Aufbau kann beinahe unverändert in der historischen Sternwarte am Botanischen Garten besichtigt werden. Von den mechanischen Konstruktionen und ihrer Geschichte beeindruckt kann man sich fragen, was wird für gutes Sehen heutzutage benötigt? Haltung und Kontrolle in vielfältigen Situationen. Und wie schafft unser eigenes System das, wenn wir uns auch noch Bewegen oder Gehen, was uns als Mensch so ausmacht?

 

 

Was bedeutet Orientierung für uns heutzutage?

 

  

 

Was hat das für mich heutzutage noch an Bedeutung? Ich brauch‘ doch nur Google Earth auf meinem Smartphone öffnen, oder digital herumdrehen, wenn den Nachthimmel betrachten möchte. So große Aufbauten wie das Zeiss Teleskop in der Oppolzer Sternwarte brauche ich doch überhaupt nicht mehr.

 

Doch elektronisch mit weltweiten Daten unterstützt oder wie früher mit enorm viel Optik und unterstützender Mechanik ist „Dinge zu sehen“ oder besser Wahrnehmung ein enormer Aufwand. Im Laufe der Evolution wurde mindestens ebenso viel Aufwand in unseren Körper und unser Gehirn zur optimalen visuellen Darstellung der Umwelt investiert. Gute visuelle Orientierung, ermöglicht durch ein komplexes Konstrukt aus visuellem System und Gleichgewichtssystem, sicherte unser Überleben.

 

Heutzutage müssen wir nicht mehr aufwendig Nahrung suchen oder uns vor Feinden schützen, die unser körperliches Überleben bedrohen. Unsere vielfältigen Orientierungssysteme im Gehirn scheinen überdimensioniert und überflüssig. Warum sollten wir selbst auch noch den Aufwand betreiben sie zu erhalten oder zu trainieren? Es genügt im Extrem schon der Blick auf Hilfsmittel wie Bildschirme in 40cm Entfernung, um die Welt besser wahrzunehmen und um per Klick davon zu profitieren.

 

Gute aktivierte und trainierte Orientierungsreflexe beeinflussen Haltung, Gang, Kraft, Mobilität, Balance. Alles Dinge, die zwar nicht mehr so häufig wie früher fürs akute Überleben wichtig sind. Doch gibt’s immer noch genug Situationen, in denen diese Eigenschaften überlebenswichtig sind. Meine Perspektive dazu ist, dass diese Eigenschaften zentral für gesundes, gutes, und selbständiges Altern sind. Vor allem, wenn uns diese Fähigkeiten in stressvollen Situationen zur Verfügung stehen sollen, wenn kein Hilfsmittel zur Verfügung steht. Oder einfach, weil unser Gefühl von Autonomie und Eigenkompetenz dadurch unterstützt wird. Oder weil wir damit auch anderen besser helfen können in Notfällen und schwierigen Alltagssituationen.

 

 

Orientierungstraining macht bessere Bewegungsautomatik

 

Unser Gleichgewichtssystem, das sog. vestibuläre System ist für die Orientierung im Raum und die Ausrichtung unseres Körpers gegen die Schwerkraft zuständig.

 

Das vestibuläre System hat direkten Einfluss auf die drei zentralen bewegungssteuernden Systeme. Es kommuniziert mit dem Kleinhirn/dem propriozeptiven Körperselbstgefühl, steuert drei verschiedene vestibuläre Reflexe und ist direkt mit dem visuellen System verschaltet. Das vestibuläre System ist der Haupthelfer für reflexive Stabilität unserer Haltung und während wir in Bewegung sind.

 

Haltungskontrolle muss schnell sein. Dazu haben sich im Verlauf der Menschheitsentwicklung verschiedene Reflexe entwickelt. Diese Reflexe haben das Ziel Körperteile relativ zueinander schnell, flexibel und im Verhältnis zur externen Welt ohne Verlust der Balance des Gleichgewichts anzuordnen. Haltung muss sowohl im bewegungslosen Zustand als auch in Bewegung kontrolliert werden.

 

Im Alltag, in jedem Alter, müssen wir uns in vielen Momenten reflexiv stabilisieren. Vestibuläre Reflexe sorgen für Haltung, Sicherheit, und Stabilität.

 

Der Vestibulookuläre Reflex (VOR) koordiniert Augen und Kopfbewegungen. Ein stabiler Blick auf Objekte unserer Wahl wird so mit und ohne Körperbewegung ermöglicht.

 

Der Vestibulocollic Reflex (VCR) stabilisiert, z.B.im Gang, den Nacken wenn kleine Kopfbewegungen in den Vestibularorganen wahrgenommen werden.

 

Der Vestibulospinale Reflex (VSR) passt unsere Körperhaltung schnellen Lageveränderungen in Bewegung an.

 

Funktioniert unser Gleichgewichtssystem nicht optimal. Sind Signale ungenau, oder hat sich die Interpretation der Veränderungen bei Bewegung verschlechtert? Bei derartigen Defiziten zeigen sich meist größere oder kleinere räumliche Orientierungsschwierigkeiten. In Bewegung äußert sich das z.B. dann in unsauberer, abgehackter Bewegung, schlechter Körperhaltung, visuellen Schwierigkeiten, veränderten Reaktionen, oder ‚einfach‘ Gleichgewichtsproblemen und verschiedenen Instabilitäten. Ab 50 zeigt sich das dann vermehrt an häufigeren Stürzen.

 

Orientierung mit gut funktionierendem vestibulärem System macht Bewegungsautomatik, z.B. Haltung und Stabilität besser und verhindert Stürze.

 

 

Machen Sie doch was Sie wollen, aber machen Sie es selbst.

 

Verbringen Sie Ihr Leben nicht als Passagier mit immer weiter schrumpfenden Haltungsfähigkeiten. Nutzen Sie ihre Hardware, ihre Haltungsreflexe zu Ihrem Vorteil!

 

Als Passagier, wenn anderes Ihre Orientierung und Ihre Stabilität übernimmt, verlieren Sie die Orientierung. Nehmen Sie selbst auf dem Fahrersitz platz, folgen Sie nicht einfach den Anweisungen anderer wie Sie Kopf, Arm, Hand und anderes zu halten haben. Das ist ineffektiv und auch gute Anweisungen sind nicht Ihre eigenen Orientierungen, die Ihnen in vielfältigen Situationen zur Verfügung stehen.

 

Wenn Sie Ihren Alltag stabiler bewältigen wollen ist es nötig, dass Sie Ihr komplettes Gehirn mit allen Wahrnehmungsorganen zusammen mit ihrem gesamten Körper ständig pflegen und auf neue Art und Weise fordern und fördern. Optimale Selbstregulation ist Ihr Ziel. Optimale Selbstregulation bedeutet allerdings nicht paranoide Selbstoptimierung. Optimale Selbstregulation gibt Ihnen die Freiheit zu wählen und das Spektrum der eigenen Fähigkeiten situationsabhängig nutzen zu können. Optimale Selbstregulation bedeutet Kenntnis, Übung, und Erfahrung wie die Wechselwirkung zwischen Körper und Gehirn für Sie selbst genutzt werden kann.

 

Einer der wichtigsten oben vorgestellten Haltungsreflexe, der die Interaktion von visuellem System und Gleichgewichtssystem zu ihrem Haltungsvorteil einsetzt ist der Vestibulookuläre Reflex, kurz VOR. Der VOR ermöglicht stabiles und scharfes fixieren eines Objektes während sich der Kopf bewegt (Wikipedia Link hier). Eine der wichtigsten Fähigkeiten für Orientierung, Haltung, stabile Bewegung.

 

 

 

 

 

Einen der wichtigsten Haltungsreflexe, den Vestibulookulären Reflex, für sich nutzen

 

Zur Abschätzung der Wirkung der kleinen Übung unten testen sie kurz Ihre Haltung. Stellen Sie sich dazu mit dem Rücken an eine Wand. Fersen, Gesäß, und Rücken berühren die Wand. Nehmen Sie wahr, wie weit Ihr Hinterkopf von der Wand entfernt ist, wie anstrengend oder angespannt diese Haltung sich für Sie anfühlt, oder wieviel Anstrengung es benötigt in dieser Stellung den Hinterkopf an die Wand zu bringen. Sie können sich natürlich auch wenn ein Partner vorhanden ist von vorne und von der Seite fotographieren lassen. Nach diesen Eindrücken beginnen sie mit dem 2-5-minütigen VOR Training.

 

Ausführung im neutralen beidbeinigen Stand. Ein visuelles Ziel auf Augenhöhe mittig zwischen den beiden Augen wird fixiert. Entlang jeder der 4 Raumachsen, vertikal, horizontal und 2x diagonal wird 5-10 der Kopf hin und her bewegt ohne das visuelle Ziel zu verlieren. Zusätzlich wird mit fixiertem Objekt der Kopf 5xauf jede Seite geneigt. Wieder mit den Augen 100% auf dem visuellen Ziel.

 

Wird das visuelle Ziel bei diesen Bewegungen durchgehend deutlich wahrgenommen kann fortgeschritten auch Bewegung in das Üben des VOR eingebaut werden.

 

Fixieren Sie wieder das optische Ziel auf Augenhöhe, Bewegen Sie den Kopf entlang einer der 4 Raumachsen und gehen Sie nun langsam in kleinen Schritten auf das Ziel zu. Wenn Ihnen das gut gelingt können Sie auch bei gleichzeitiger Kopfbewegung wieder rückwärts vom Ziel weggehen. Nacheinander können Sie so Kopfbewegungen entlang jeder der 4 Raumachsen gleichzeitig mit Gang auf das Ziel zu und vom Ziel weg durchführen.

 

Danach testen Sie wieder kurz Ihre Haltung. Selbst mit dem Wandstand oder mit Partner über ein Front- und ein Seit-Foto.

 

Seitliche Haltungsaufnahme einer Klientin vor und nach 5 Minuten Training des Vestibulookulären Reflexes

 

Was hat sich bei Ihnen verändert? Hat sich Ihre Haltung verbessert oder verändert? Wenn ja, dann ist diese Übung etwas für Sie. Ihr Gehirn ist glücklich damit, reagiert und ändert automatisch Ihre Muskelspannung. Mit weiterem Training kann dieser Effekt für Sie effektiv weiterentwickelt werden. Übungen lassen sich leicht und effizient in den Alltag einbauen.

 

Zusammen mit einem Trainer können derartige Übungen und Bewegung gezielt in einen Prozess gebracht werden, der mit hoher Wahrscheinlichkeit nachhaltige Gesundheitsentwicklungen ermöglicht. Mit der dadurch vielfach erhöhten Selbstkompetenz sitzen wir dann wieder mehr am Steuer unseres eigenen Lebens. Mit gutem Blick, Haltung und leichter balancierter Bewegung.

 

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