Machen Sie Ihr Gehirn glücklich – Nehmen Sie wahr! 07/03/2018
Tags
#IBKmyBrain, #Gehirn, ‚Wahrnehmungskarten, #Sicherheitsfilter, #Umgebung, #Bewegung
Geographensäule – Denkmal, fühl mal, meß‘ mal
Einige Denkmäler in Innsbruck beschäftigen sich mit der Vermessung der Welt. Ein interessantes Meß-Denkmal ist die Geographensäule, etwas traurig unscheinbar am Rande des Spielplatzes im Walther Park (Wikipedia Liste Denkmäler Innsbruck hier). Kinder klettern darauf herum oder bewerfen es mit Steinen. Und manchmal beobachten Eltern auf den Stufen des Denkmals sitzend ihre spielenden Kleinen.
Auf dem Sockel sind Höhenangaben einiger umliegender Berggipfel sowie Längen- und Breitengrade vermerkt. Auf der Säule befinden sich verschiedene Meßinstrumente zur Wetter- und Zeitbestimmung: Thermometer, Barometer und eine Sonnenuhr. Der Bestimmung des besonderen Wetters, der Zeit und der Vermessung der Umgebung in Innsbruck wurde 1876 von Bürgern ein Denkmal gesetzt.
Da sind wir in Innsbruck. Koordinaten, ihre Lage, ihr Wetter machen die Stadt in den Augen der denkmalstiftenden Bürger besonders. Weltliche, z.B. räumliche und situative Gegebenheiten müssen allerdings zur aktuellen Orientierung mit geeigneten Instrumenten immer wieder neu bestimmt werden. Erst eine ausreichende Auflösung unserer Sinnesinformation und der daraus resultierenden Wahrnehmung erlaubt gute Entscheidungen für uns entsprechend der Situation. Unser Gehirn muß seine Wahrnehmungskarten immer aktualisieren, damit überlebenssicherndes Verhalten möglich wird. Verhalten ist Bewegung. Gute Wahrnehmung und als Grundlage aktuelles Messen mit den eigenen Sinnen macht demnach gute effektive Bewegung.
Die gute Geographensäule ist in diesem Meß-Hirn-Orientierung-Bewegungs-Zusammenhang im Walther Park in passender Nachbarschaft zum Thurner Denkmal (für Franz Thurner, Begründer der Freiwilligen Feuerwehren und des Turnwesens in Tirol), dem Denkmal zu Walter von der Vogelweide (berühmter deutscher umherwandernder Minnesänger und Lyriker des Mittelalters), und der Dürerblick (Betonpavillon mit Umrisslinien der historischen Stadtansicht Innsbrucks von Albrecht Dürer).
Unser Gehirn kartiert Körper und Umgebung
Sinnesorgane enthalten Rezeptoren, die Informationen aus dem Körper oder der Umgebung aufnehmen. Der Mensch generiert in verschiedenen Sinnesmodalitäten über 100 Millionen Input-Signale oder Messungen.
Unser Nervensystem strukturiert und interpretiert diesen vielfältigen Input und generiert daraus einen Bewegungsentwurf und Verhalten. Permanent erstellt unser Gehirn dazu Landkarten der verschiedenen Wahrnehmungskanäle und der Orientierung des eigenen Körpers im Raum.
Unsere vielen messenden Rezeptoren sind das erste entscheidende Glied der Input-Kette in Richtung Bewegung. Jeglicher Verlust von Informationen, z.B. verminderte Auflösung oder einfach fehlender Input an dieser Stelle setzt sich durch alle Ebenen der Entstehung von Bewegung fort und beeinflußt dementsprechend das Bewegungsergebnis. Die in den Rezeptoren aufgenommenen Informationen und die damit generierten Wahrnehmungskarten sind die Berechnungsgrundlage für Bewegungsentwurf und -ausführung. Lage und Orientierung des Körpers in Raum und Zeit sind Grundlagen für Bewegung. Es zählt dafür immer die Summe aller Sinnesinformationen.
In jeder MIllisikunde scannt unser Gehirn Umgebung und Körper. Es nutzt dazu besagte Wahrnehmungskarten, zusammen mit Erfahrungen und Vorhersagen bzw. Erwartungen. Unser Gehirn nutzt dabei zur Vereinfachung der Informationsvielfalt das Prinzip der Mustererkennung. So entsteht auf der Basis der vorhandenen Informationen eine Vorhersage über die zu erwartenden Konsequenzen einer Situation. Übertragen sucht das Gehirn nach der Antwort auf die Frage: Wie sicher ist die Situation? Oder, wie sicher ist das was ich hier tue? Abhängig von der eigenen automatisch unbewußt generierten Antwort führen wir eine geplante Handlung/Bewegung entweder in vollem Umfang durch oder sind durch verschiedene Schutz- und Sicherungsmaßnahmen blockiert/limitiert.
Schutzreaktionen für Strukturen des Körpers können Einschränkungen der Kraft und der Mobilität, Schmerz, Schutzreflexe, oder Veränderungen im Immunsystem, im Hormonsystem, und auch im Nervensystem sein.
Oft erlaubt eine schlechte Wahrnehmung keine optimale Vorhersehbarkeit einer Bewegungssituation und führt damit zu bewegungseinschränkenden Schutzmaßnahmen. Veränderung der Wahrnehmungsinformationen, z.B. die Wahrnehmungskarten, die diesen Sicherungsmechnismus steuern ist daher eine der einfachsten und schnellsten Möglichkeiten um Bewegung besser zu machen. Wir der sensorische Input und dessen Interpretation verbessert. Verbessert sich Bewegung.
Bessere Wahrnehmungskarten, bessere Bewegung
Klare Wahrnehmung erlaubt Orientierung, und verbessert Bewegung. Unser Gehirn nutzt Sinneskarten für Entscheidungen, wie sich der Körper bewegt. Bessere Detailiertere Sinneskarten, bessere, koordiniertere, präzisere Bewegungen. Mit verwuschenen Karten ist im Gegensatz dazu Bewegung wackelig oder funktioniert nicht. Im verstärkten Fall resultieren auch Schmerzen.
Beispiele wie wichtig die Sinneskarten für Bewegung und Koordination sind.
- Körperteile mit hohem oder vielseitigen Bewegungsbedarf,z.B. Hand, zeichnen sich durch größere Karten aus.
- Bei verstärktem Bewegungsbedarf vergrößern sich Sinneskarten die beanspruchten Körperteile. Karten von sich viel Bewegenden Menschen sind daher auch immer größer
Die Wahrnehmungskarten werden kontinuierlich aktualisiert. Anforderungen an den Körper oder ihr Fehlen zeigen sich sofort diesen Karten. Schlafen wir, so sind über Nacht unsere Wahrnehmungskarten etwas verschwommener und ungenauer. Morgens wird dann etwas Zeit benötigt, um die Sinneseindrücke z.B. auf der Fußsohle wieder zu aktualisieren. Stacksiges Gehen nach dem Aufstehen wird so bald wieder flüssiger und leichter.
Auch unsere Bewegungsgewohnheiten und die damit zusammenhängende Wahrnehmung spiegeln sich im Verlauf des Älterwerdens in unseren Wahrnehmungskarten. Wir sind oft weniger draußen in der Natur und bewegen uns weniger. Zusätzlich zu den oft „schwindenden Sinnen“ schwinden so auch unsere Wahrnehmungskarten und deren Auflösung. Bewegung wird verstärkt schlechter und Stürze häufen sich. Sensomotorische Amnesie nennt der Mediziner fachtrocken die Ursache. Aber wissend was passiert läßt sich recht einfach mit wenig Aufwand etwas für besseren Input, bessere Wahrnehmung und damit für bessere Bewegung unternehmen.
Veränderungen der Wahrnehmungskarten, und auch ihre Wirkung auf Mobilität lassen sich sehr einfach am eigenen Körper überprüfen. Eine kleine Wahrnehmungsübung oder eine größere Körperwahrnehmungsübung zusammen mit einem Mobilitätstest weiter unten lassen am eigenen Körper spüren, was mit einfachen Aktionen möglich ist.
Selbstversuch kurz – Ohren
Wahrnehmungstest: Form und Position der eigenen Ohren wahrnehmen. Danach für 30 Sekunden einfach das linke Ohr rubbeln, massieren, und mehrfach nach außen und hinten ziehen. Wie ist nun die Wahrnehmung der Ohren? Was ist der Unterschied zwischen rechtem und linkem Ohr? Ist es leichter das linke Ohr wahrzunehmen? Mehrere Hundert Sinneszellen in unserem Ohr, die mechanische Veränderungen wie Druck, Zug, Drehung, oder Reibung registrieren sind jetzt aktiviert und aktivieren und aktualisieren die Wahrnehmungskarte fürs linke Ohr. Der deutliche Effekt, die klare Wahrnehmung, bleibt allerdings nur für eine begrenzte Zeit. Langfristig bleibende Veränderungen der Wahrnehmung benötigen kontinuierliches kurzes Aktivieren dieser Sinnesreize.
Selbstversuch lang – Klopfen und Bewegen
Ist unser Gehirn mit einem sensorischen Input „glücklich“ macht sich das sofort in Bewegungssituationen bemerkbar. Kraft, Koordination, Balance, Stabilität und Mobilität verschiedener Bewegungen werden besser. Verbesserungen sind allerdings auch individuell, je nach eigenen Limitierungen unterschiedlich bemerkbar. Ein Mobilitätscheck, der recht gut oft Veränderungen zeigt ist das Fußspitzen berühren. Beine zusammen, Knie durchgestreckt mit den Händen an den Schienbeinen nach unten fahren in Richtung Zehen/Boden. Ein bis zweimal durchführen und Handposition als auch Selbstwahrnehmung registrieren. Danach das folgende, längere, ca. 5 Minuten, Selbstaktivieren verschiedener Wahrnehmungskarten für unseren Körper durchführen.
5 Minuten Wahrnehmungskarten aktivieren:
- Augen mit Fingerkuppen umkreisen
- Gesichtshälften mit Händen umkreisen
- Kopfhaut: Kämmen, Fingerklopfen
- Ohrläppchen massieren, oder Ohren nach seitlich und hinten „ausziehen“
- Hals heruntersteichen
- Schultern kreisförmig massieren
- Arme: Ausstreichen, mit Handfläche und Faust abklopfen
- Handgelenke 8-ter, 2 Richtungen
- Brustkorb seitlich drücken kreisförmig massieren
- Bauchhalbkreise mit der Hand
- Atmen mit Händen auf unterster Rippe. Bauchatmen und Brustkorbatmen
- Illiosakralgelenk, hinterer Rücken abklopfen und Streichen
- Energiepunkt zwischen Nabel und Schambein kreisförmig massieren
- Becken, Gesäß mit Fäusten abklopfen
- Beine bis zu den Füßen und zurück ausstreichen,mit Hand und Faust abklopfen. Danach Füße schütteln, kurz auf dem Boden aufstampfen.
- Fußsohlen massieren, beklopfen, Zehen massieren, Fußballen auf dem Fußboden austanpfen
- Brett-Balance: Schmaler Stand mit beiden Beinen, Arme Seitlich herabhängen lassen, Körper starr wie ein Brett machen und bis kurz vor Verlust Balance als Brett neigen: forwärts rückwärts, seitwärts rechts, seitwärts links; auch mit geschlossenen Augen
- Überkreuzbewegungen: Kontralaterale Hand oder Ellbogen klopfen abwechselnd im Marsch auf der Stelle auf das hochgezogene Bein
- Augenübung: Finger fokussieren und auf Augenhöhe heran- und wegfahren
- Augenübung liegende Achtermit dem Finger in der Luft bei stabilem Kopf mit den Augen nachfahren, übergehend in „Elefantenachter“ (eine Hand nach vorne ausgestreckt, die andere faßt um den ausgestreckten Arm herum die Nase, Körper zusammen mit dem ausgestreckten Arm entlang einer liegenden Acht bewegen)
Jetzt mit mehr Wahrnehmung das anfängliche „Fußspitzen-Berühren“ wieder durchführen. Hat sich die Mobilität verändert? Wenn Ja, ist diese Form der Wahrnehmungserweiterung grundsätzlich etwas für Sie. Mit geeigneten Tests und Übungen läßt sich das individuell noch sehr viel nützlicher und effektiver gestalten. Wahrnehmung und Bewegung gut zu Integrieren birgt viel Potenzial. Am Anfang: Die Sinne, unsere Wahrnehmung, mehr aktivieren und einbeziehen.
Nützlicher Rahmen für bessere Körpernutzung, für bessere Bewegung und bessere Handlungsfähigkeit
Wollen wir unser Gehirn oder Bewegung signifikant verbessern ist das Dehnen oder die Kräftigung eines Muskels hier und da meist langfristig nicht ausreichend.
Bewegung und Handlung wird im Nervensystem auf der Basis geeigneter Sinneseingänge, mit deren Interpretation und Planung der geeigneten Bewegungsmuster dann in einen Output übersetzt. Ein Großteil der Bewegungsplanung und -kontrolle ist unbewußt. So beeinflußt auch der oben erwähnte Sicherheitsfilter diesen ganzen Prozess.
Wollen wir diese Mechanismen nutzen müssen wir als Bewegende oder als Bewegungscoach Umgebungen und Situationen kreieren, die Veränderung in dieser bewußten und unbewußten Kontrolle von Bewegungsmustern ermöglichen. Bewegungssituationen in denen der Input, die Sensorik, Interpretation, z.B.durch den Sicherheitsfilter, und der Output, z.B. ein konkretes Bewegunsziel, verbessert werden können.
Besonders nützlich und wirkungsvoll sind wie oben in der Übung das Erkunden der sennsorischen Möglichkeiten und klare Bewegungsziele.
Als Bewegungscoach bin ich mir bewußt, daß ich selbst als Experte keine Bewegungsmuster machen kann. Ich kann allerdings helfen Bewegungsmöglichkeiten wachsen zu lassen. Bewegungsmuster können wachsen, und sich langfristig verbessern indem die fördernde Rahmenbedingungen und Situationen fürs Gehirn und Bewegung geschaffen werden.
Für bessere Wahnehmungskarten als Grundlage können ähnlich wie in der ausgeführten Übung viele verschiedene „Sinnesübungen“ genutzt werden. Auch Bewegung selbst unterscheidet sich in ihren Auswirkungen auf Wahrnehmungskarten und Bewegungsinterpretation.
Bewegungen mit der größten Wahrscheinlichkeit Wahrnehmungskarten und Interpretation positiv zu stimulieren und unser Bewegungsgehirn glücklich zu machen sind:
- „neugierige“, erkundende Bewegungen
- neue, interessante Bewegungen
- Bewegungen mit interessantem, vielfältigem Sinnesinput
- Langsame, sanfte, schmerzfreie Bewegungen
- und auch umkehrbare bzw. umgekehrte Bewegungen.