Wunderjahre

Hafelekar – ein Muss, nur das Beste, Richtige 08/20/2018

 

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“Das ganze Leben ist ein Experiment. Je mehr Experimente du machst, desto besser” – Ralph Waldo Emerson

 

 

Das Beste verliert

 

Ich fürchte mich vor der Grundhaltung des „Besten“, der „Zielorientiertheit“, oder Dinge, die man z.B. als Mann/Frau, älterer Mensch, oder Tiroler getan haben muss.

Das Havelekar auf Innsbrucks Nordkette einfach ohne Schweiß mit der Seilbahn zu erreichen ist z.B. so ein Ort, den man gemäß vieler Innsbrucker Reiseführer einmal im Leben unbedingt gesehen haben muss. Das eine Ziel ist wichtig, warum auch immer. Der Weg dahin und seine eigene mögliche Bedeutung und Wirkung verschwindet wie ein unbedeutender Pfad unterhalb der aufsteigenden Seilbahn. Dass auf dem direkten Weg dahin vielfältige Perspektiven, Erfahrungen, und Einsichten, die persönlich sinn- und wirkungsvoll sind, verloren gehen ist scheinbar unwichtig.

 

Blick von Innsbruck herauf über Hungerburg auf’s Hafelekar

 

 

Wohltat im goldenen Käfig

 

Organische Systeme, z.B. unser Organismus, der mit Vielfalt und Ungewissheit gut zurechtkommt, sich sogar auf deren Grundlage am besten entwickelt, werden durch derartige beste Muss-Ziele kastriert.

 

Vielfalt, Zufälligkeit, Individualität, und damit die Möglichkeiten wirklicher persönlicher Perspektiven, Gesundheit und Entwicklung werden so bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt. Und mit dem Besten oder dem Muss wird einem noch, meist oberflächlich begründet vorgegaukelt, es handelt sich um eine Wohltat.

 

Mit all dem Besten z.B. für Altern und Gesundheit wird unser Leben allerdings zum goldenen Käfig. Im Unterschied zur variablen und individuellen Auseinandersetzung unseres Organismus mit der Natur, die Gesundheit und persönlich sinnvolle Entwicklung schafft entsteht Schädigung durch chronischen Stress. Die beste Bewegungsübung fürs Alter zwingt so z.b. dem willigen Trainierenden eine endlose und gleichzeitig wirkungslose Wiederholung der immer gleichen Bewegung auf. Die stressvolle Limitierung von Bewegungsarmut wird durch die ebenso limitierende Wiederholung einer bestimmten Bewegung abgelöst. Der Großteil unseres modernen Lebens im Alter bleibt so eine vermeidbare Schädigung durch chronischen einseitigen Stress.

 

 

Selbstverweigerung statt Entwicklung

 

Unser Verständnis von gesundem Altern ist genauso limitiert, wie unser Verständnis für unseren vielfältig beeinflussten eigenen Organismus. Setzten wir alles auf eine Karte, z.B. eine Bewegung, eine bestimmte Fähigkeit wie Kraft oder Ausdauer, verlieren wir das wichtige Gesamtbild aus dem Auge. Wir schaffen so neue Limitierungen und chronischen Stress und allerwichtigst, verweigern wir uns und anderen einen wirklich wirkungsvollen Entwicklungsweg mit potenziellen individuell nützlichen Bewegungsoptionen. Wir verweigern uns mit einzelnen Lösungen statt dem Weg mit Vielfalt tiefgreifende Verbesserungen in unserem Leben unserer Gesundheit und unserm Altern.

 

 

Das beste Bewegungstraining fürs Alter ist eine Falle, und bringt meist Nachteile

 

Zuerst eine gute Nachricht Kraft-, Balance-, Koordinations-, und Herz-Kreislauftraining schafft auch im Alter wirkungsvoll nützliche Veränderungen. Zahlreiche persönliche Geschichten und Untersuchungen zeigen, dass im Alter mit Training enorme Möglichkeiten zur Verfügung stehen. (Beispiele finden sich in folgenden Wunderjahre Blogbeiträgen hier, hier, und hier)

 

Eine Studie aus dem Jahr 2016 setzt sich mit der Wirkung von knapp einem halben Jahr Krafttraing nach Standardrezept (2x pro Woche, 7-10 Übungen, meist geführt an Kraftmaschinen, periodisch angepasste Reize) bei 19-78 Jahre alten Frauen und Männern auseinander (Link zur Studie hier).

 

Mit insgesamt 287 Beteiligten konnte kein Unterschied in der Wirkung dieses Trainings auf ältere oder jüngere Menschen gezeigt werden. Sprich, für Ältere ist ein Standard-Krafttraining genauso effektiv wie für Jüngere. Zu Trainieren lohnt sich – in jedem Alter.

 

Doch dieses Krafttrainingsprogramm war nicht für jeden gleich wirkungsvoll. Individuell gab’s riesige Unterschiede. Für 10-15% der Teilnehmer blieb die körperliche Kräftigung aus oder sie wurden sogar schwächer (s. Diagram 2 a) aus der Studie unten). Für mehr als die Hälfte der Krafttrainingsteilnehmer sieht der Nutzen von ca. 1% Kraftgewinn pro Woche recht gering aus in Anbetracht des Aufwands, der Kosten von 20 Wochen Training. Nicht gerade motivierend dafür mit solch einem Programm zu beginnen oder sowas langfristig durchzuführen. Vor allem, wenn mit solch einem Programm nicht die Freude an Bewegung angeregt wird, was laut vielfältiger Aussagen meist für solch ein Training mit Geräten oder in Fitnessstudios zutrifft. Dann gab es in dieser Studie noch die 15%, die mit einer 50%-gen Steigerung ihrer Kraft gut auf das Training ansprachen.

 

Diagram Nr. 2 aus der Publikation in der Zeitschrift Age 2016, Vol. 38, S. 10: Heterogeneity in resistance training-induced muscle strength and mass responses in men and women of different ages. Ahtiainen JP und andere. Histogramme für % Veränderung a) Muskelkraft und b) Muskelgröße (relativ zum Start der Studie) von Männern (schwarze Balken) und Frauen (graue Balken) in der Krafttrainingsgruppe

 

 

Das Beste mit fragwürdigen Wirkungen

 

Ohne Individualisierung, und ständige persönliche Anpassung eines Bewegungstrainings ist mit Standardprogrammen oder auch mit den besten Standardrezepten für Bewegungstraining im Alter keine gute Wirksamkeit erreichbar. Mögliche Ergebnisse mit dem besten Alterstraining werden auch nicht besser ausfallen als in der dargestellten Studie zum Krafttraining. Nur Wenige, einer von 10, profitiert wirklich von einem derartigen Training. Und auch bei den seltenen Nutznießern ist der scheinbare Nutzen im Labortest Kraft nicht wirklich groß. Die Alltagstauglichkeit, von 7-10 verschiedenen, meist Großteils maschinengeführten Übungen ist äußerst limitiert.

 

Obwohl durchschnittlich quantitative Erfolge erzielt werden mit den besten Bewegungsrezepten z.B. fürs Altern ist der individuelle Sinn, sprich Nutzen äußerst fragwürdig.

 

 

Wir wollen Instantlösungen, das Beste scheint gerade recht

 

Wir Menschen wissen heutzutage viel über viele Dinge. Leider sind wir nicht wirklich gut darin dieses Wissen kontextabhängig und damit praktisch oder alltagstauglich für uns anzuwenden. Wir orientieren uns daher gern an Erfahrungsberichten, Erfahrungssammlungen, oder Verallgemeinerungen. Wir wollen was wirkt, ohne zu berücksichtigen wie es wirkt, und wir wollen es schnell ohne das Rad selbst neu zu erfinden. Wir wollen die Abkürzung. Die heutzutage übermäßig vorhandene Information gaukelt uns vor, dass wir nur das Beste für uns wählen müssen.

 

 

Es geht um den persönlich sinnvollen Weg

 

Doch die Erfolge eines derartigen abkürzenden Vorgehens bleiben meist aus oder haben nur geringen oder kurzfristigen Nutzen im Vergleich zum betriebenen Aufwand. Wir glauben, dass persönlicher Fortschritt zu haben ist, wenn wir eben das Richtige wählen. Wirkungsvolles Aneignen, wirkungsvoller Fortschritt ist allerdings immer ein Prozess, ein Weg, eine Art des Seins. Wirklicher Fortschritt z.B. mit Bewegung im Alter entsteht daher nur in der konstanten, vielfältigen, und erkundenden Auseinandersetzung mit Bewegung die individuell gestaltet wird und individuell Sinn gibt.

 

 

Gut geführte Bewegungsexperimente sind der Schlüssel für einen eigenen wirkungsvollen Weg

 

Der Weg zum eigenen Fortschritt muss allerdings deshalb…. nicht lang sein. Es besteht Erfahrung wie ein Übungsweg erfolgreich gestalten werden kann. Mit geeigneter Begleitung oder Coaching auf Basis eines wirkungsvollen Systems, können recht schnell persönlich nützliche Rezepte gefunden und für längerfristigen Fortschritt angepasst werden.

 

“Das ganze Leben ist ein Experiment. Je mehr Experimente du machst, desto besser” – Ralph Waldo Emerson

 

Die eigene Entwicklung braucht den eigenen Weg. Ein Coach unterstützt, indem er dafür sorgt, dass möglichst wenig nutzlose Wege gegangen werden. Fortschritt entsteht dann in dem Vertrauen, dass mit Unterstützung immer wieder neu das individuell Beste für die eigene Selbstregulation getan wurde. Ein guter Coach hilft wirkungsvoll bei der Gestaltung der eigenen Bewegungsexperimente.

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