Atmen – Bewegen – Klettern 10/24/2018
#Atmen #Sport #Leistungsfähigkeit #Kraft #Mobilität #Fokus #Erholung
Alpinmesse, Kletterweltmeisterschaften in Innsbruck – Adam Ondra
Die Alpinmesse fand vergangenes Wochenende in Innsbruck statt. Mit dem Blocalpin Boulderwettbewerb veranstaltete der österreichische Alpenverein in der schönen alten Messehalle einen sehr attraktiven Wettkampf für die österreichische Kletterelite. Die Kletteraktivitäten in Innsbruck lassen mich stark an die Kletterweltmeisterschaften denken. Die Meisterschaften sind zwar schon einige Zeit vorbei, doch lassen sie mich selbst noch nicht los. Im Vorstieg siegte der Innsbrucker Lokalmatador Jakob Schubert ganz knapp vor Adam Ondra. Adam Ondra war schon öfters, z.B. beim Boulder Weldcup, in Innsbruck zu erleben. Adam machte auch viel Werbung für das neue Weltklasse Kletterzentrum in Innsbruck (Adam Ondra auf Wikipedia hier). Adam schwirrt mir angeregt durch seine Performance bei der Kletter-WM und seine vielfältige Präsenz in Innsbruck weiter im Kopf herum. Seit ich auf Youtube ein imposantes Klettervideo von ihm gesehen habe läßt mich der Aspekt des Atmens beim Klettern nicht mehr los. Ich bin selbst kein Kletterer und kann die technische Seite nicht wirklich beurteilen. Ich bin allerdings immer wieder von der Eleganz und Schönheit der Kletterbewegungen in ‚schwierigen Bedingungen‘ beeindruckt. Im Youtube Video wird Adam bei der Besteigung der schweren Route Il Domani (9a) gefilmt. Es lohnt sich die fast 14 Minuten des Klettervideos auf sich wirken zu lassen.
Durch die örtlichen Gegebenheiten ist im Verlauf des Kletterns besonders der Atem von Adam deutlich zu hören. Die Vielfältige Atmung ist faszinierend, den Atem ist nicht nur über den Lungentank Sauerstofflieferant, der die Klettermaschine am Laufen hält. Atmen beeinflußt unsere körperlichen und geistigen Zustände, wie z.B. unser Ermüdungsempfinden, beeinflußt Kraft und Mobilität und verändert vielfältig unseren Stoffwechsel. Adam Ondra scheint für sich beim Klettern den Atem vielfältig zu nutzen und hat ihn sicher für sich optimiert.
Atmen für Kletterer und andere Sportler
Atmen läßt uns natürlich leben. Atmen beeinflußt alles was wir tun. Atmen ist Energieversorgung. Sauerstoff ist Energielieferant für jede Zelle in unserem Körper. 20% des eingeatmeten Sauerstoffs wird vom Gehirn verbraucht. Der Rest hält den Stoffwechsel aller Gewebe am Laufen. Bei körperlicher Bewegung muß vor allem dann auch die arbeitende Muskulatur gut versorgt werden. Bewegungsbelastung steigert z.B. die normale Atemfrequenz von durchschnittlich 15 Atemzügen pro Minute um das fünffache auf 40-50 Atemzüge. Erschöpfte Atemmuskeln sind daher ein Hauptfaktor für die wahrgenommene Erschöpfung bei Bewegungsleistungen. Einfaches Atemtraining erhöht vor diesem Hintergrund einfach Ausdauer und verlängert die Zeit bis zur Erschöpfung (Aktueller wissenschaftlicher Artikel zum Ausdauereffekt von Atemtraining bei Handballern hier). Da die Atemmuskulatur neben der Sauerstoffzufuhr als Doppelfunktion auch Rumpfstabilität und Beweglichkeit reguliert, beeinflußt unsere Atmung auch immer Stabilität, Mobilität, und Koordination. Neben den Standards für gute Bewegung ist daher vielfältiges angepasstes Atmen essentiell für jede Art von optimaler Leistungsfähigkeit.
Aktuelle Untersuchungen haben gezeigt, dass in intensiven Sportdisziplinen, die häufig Arme und Oberkörer nutzen, wie z.B. Rudern und Schwimmen, die Belastung der Atemmuskulatur noch höher ist. Bei diesen Bewegungsarten ist die Atemmuskulatur doppelt beansprucht. Zum einen sind diese Muskeln an der effektiven Atemtechnik beteiligt, und zum anderen sind sie auch integraler Bestandteil der Bewegung der oberen Extremitäten und des Oberkörpers. Aus dieser erhöhten Doppelbelastung resultiert eine größere Anfälligkeit für Ermüdung und ein höheres Versagensrisiko bei Bewegung, sprich Leistungsfähigkeit ist stärker limitiert und gefährdet (Schwimmtudie hier, Oberkörperstudie hier).
Trotz dieses vorhandenen Wissens übersehen viele Kletterer, dass die Qualität des Atems großen Einfluss auf den physischen und mentalen Zustand beim Klettern hat. Vergleichen wir zwei Athleten mit derselben Menge an Talent, Herzblut, und Kraft, wird ohne Zweifel derjenige ‚besser‘ sein, gewinnen, oder etwas Schwieriges erreichen, der seinen Atem trainiert oder optimiert hat. Atmen ist das einfachste Mittel für jeden von uns, um zu erreichen, was wir wollen.
Hier sind nur ein paar Dinge, die wir mit vielfältigem gutem Atmen erreichen können:
- Beruhigt den Geist und entspannt: Anstatt in bestimmten Momenten, wenn man über seinen Grenzen klettert, die Nerven zu verlieren, können wir die Situation besser einschätzen, unsere Emotionen managen, und dann auch unsere eigenen Ressourcen besser nutzen. Auch unsere Einschätzung von Ermüdung ändert sich.
- Verbessert Ihre Konzentration: Sie werden nicht so abgelenkt.
- Verbessert Kraft und Mobilität
- Erhöht die Ausdauer: Gutes Atmen kann die gefürchtete Unterarm-Pumpe oder schwere Beine verringern.
- Wir erholen uns besser
Schlecht atmen – schlechtere Bewegung, weniger Kraft, schwere Arme/Beine, früher ermüdet
Atmen beinhaltet die Koordination beinahe aller Muskeln im Rumpf. Vom Beckenboden bis zum Nacken. Der ganze Körper atmet. Die Bewegungen des Zwerchfells und der Rippen sind dabei essentiell. Für Atmen, gute Stabilität und Mobilität im Rumpf sind dieselben Muskelaktivitäten notwendig. Alles insgesamt essentiell für die Stabilität der Wirbelsäule. Auch unsere Extremitäten lassen sich nur gut bewegen, wenn der Rumpf gut und kontrolliert stabilisiert ist. Es ist daher nicht verwunderlich, daß bei schlechtem Atmen die Bewegungskoordination leidet (Literatureinblick hier).
Vielfältige Studien zum Einfluß von Atem auf Leistungsfähigkeit bei Radfahrern zeigen deutlich, daß bei erleichtertem oder bei erschwertem Atmen willkürlich aktivierbare Muskelkraft in der Beinmuskulatur sich um ca. 20% steigert oder verringert (Studie hier).
Bei Erschöpfungstests, wie lange die Athleten bei einer bestimmten Belastung durchhalten, erhöhte sich die Zeit bis zur Erschöpfung um 14% und die Wahrnehmung von Erschöpfung im Atmen und in den Gliedmaßen verringerte sich, nachdem der Atem mechanisch unterstützt wurde (Studie hier).
Ermüdende Arbeit der Atemmuskulatur löst eine vom sympathischen Nervenssystem vermittelte vasokonstriktorische Reaktion in den Gliedmaßen aus; den sogenannte „inspiratorische Muskel Metaboreflex“. Dieser Reflex sorgt dafür, daß bei Atemanstrengung, die Blutversorgung in Arme und Beine gedrosselt wird. Schlechtes Atmen wirkt so leistungsmindernd. Bei Radfahrern wurde demonstriert, dass eine erhöhte Arbeit der Atemmuskulatur den Blutzufluss in Gliedmaßen reduziert und Ermüdung beschleunigt (Eine der ersten Studien hier). In einer Untersuchung zum Trainingseffekt von ‚Atemtraining‘ wurde gezeigt, dass ein 4 wöchiges Training der Atemmuskulatur die Metaboreflexantwort auf die Wadenmuskulatur vermindert, damit Blutversorgung von Armen und Beinen verbessert, und so ausdauerndes Fußstrecken ermöglicht (Studie Atemtraining und Fußstrecken hier).
Schlechte Atmung vermindert auf mehreren Ebenen die körperliche Leistungsfähigkeit. Gut allerdings, daß mit verbesserter oder trainierter Atmung diese Leistungshindernisse deutlich zu reduzieren sind.
Am Leitseil des Atems – Bewegung und Atem verbinden
„Mit dem Atmen führen“, „der Atem lenkt“, „der Atem leitet“ Dieser Rat für Bewegung stammt von der bekannten deutschen Tanz und Atemlehrerin Ilse Middendorf. Doch nicht nur im Kreativen oder Esoterischen ist diese Perspektive, dieses Wissen vorhanden. Im Kraftsport ist der Atem der entscheidende Faktor für Mobilität und Stabilität unter dem Einfluss großer Kräfte oder bei dynamischen Bewegungen. Auch in der harten mit Lebensbedrohungen umgehenden Welt der Kampfkünste ist dieses Konzept Grundlage fürs Meistern schwieriger Situationen. Beispielhaft ist die Perspektive des Atems als Motor, als Lokomotive, die die Wagen der Körperteile und Organe bewegt, von Mikhail Ryabko und Vladimir Vasiliev, Begründern der russischen Kampf- und Lebenskunst Systema. Wenn Lehrer aus unterschiedlichen Körper- und Bewegungskulturen die gleichen Einsichten lehren lohnt es sich aufmerksam genauer hinzuschauen.
Der Atem ist wie keine andere Körperfunktion auf das Engste mit allen physischen und psychischen Vorgängen im Menschen vernetzt. In zwei Bereichen ist Atem deutlich mit Kraft, Mobilität und Koordination verknüpft.
Mechanisch besteht eine Wechselwirkung zwischen Atembewegung und zahlreichen Körperorganen und deren Funktionen. Die Lungen haben das Fassungsvermögen von zwei Fußbällen. Volumen, Ort und Dynamik dieser Füllung haben vielfältige Auswirkungen auf Knochen, Faszien, Muskulatur und deren Leistungsfähigkeit. Bill Hartman, Physiotherapeut und Trainer in Indianapolis, USA, bringt uns den ‚Mechanoeinfluss‘ des Atmens in untenstehendem Video sehr bildlich vor Augen.
Besseres Atmen verbessert nicht nur akut die Mobilität. Besseres Atmen verbessert auch akut und langfristig Stabilität und Kraftfähigkeit.
Mit einem kleinen Krafttest kann man die akute Wirkung kontrollierter Atmung erfahren. Man nehme ein Gewicht, daß man im Stand mit einer Hand 5-10 mal überkopf zu drücken vermag. Teste mit der schwächeren oder stärkeren Seite die maximale Anzahl der möglichen Wiederholungen. Danach erholt man sich ein wenig, aktiv mit ruhigem Atmen und entspanntem Gehen. Danach testet man wieder aber diesmal wird vor jedem Hochdrücken das Valsalva Manöver, Einatmen durch die Nase in den Bauch und Anspannen von Beckenboden und gesamter Rumpfmuskulatur, und beim Hochdrücken nur durch gespitzte Lippen gegen den Lippendruck ausgeatmet. Mit dieser Atemtechnik jede Wiederholung durchgeführt sollte sich bei Wiederholungstest bei den meisten die Zahl der Wiederholungen um 1-3 erhöhen.
Populär aufbereitet demonstriert der Taucher und Atemlehrer Stig Severinsen in einer Galileo TV Dokumentation wie langfristig nach 4 Wochen Atemübungen ohne andere Kraftübungen von einem Moderator mehr Bauchaufzüge und mehr Klimmzüge geschaft werden.
Nervös-reflektorisch und zentral-nervös besteht ein tiefgreifender Einfluss der Organmotorik, vor allem der Atem-Motorik, auf Großhirn und dar Bewegungssteuerung des Menschen. Bei guter Atmung mit dem Bauchraum regt die Kontraktion des Zwerchfells beim Einatmen im Großhirn die Atmungsbereiche des M1-Kortex/Bewegungskortex an. In den durch die Zwerchfellatmung aktivierten Bereichen wird die Muskulatur der Gliedmaßen zusätzlich aktiviert. Gliedmaßen sind so mit größerer Betonung zu aktivieren. Koordination und Kraft wird so deutlich verbessert. Ein tiefer Atemzug mit dem Zwerchfell erhöht z.B. akut die Kraft und die motorische Koordination der Muskulatur der Haupthand (etwa 10% mehr, Lit?). In einigen Studien wurde beobachtet, daß Griffstärke der Hand, Kraft im Oberschenkelmuskel, und überhaupt die Kraft der Muskulatur der Gliedmaßen sehr stark mit der Funktionalität des Zwerchfells korreliert (s. beispielhafte Graphik, sowie Literatur hier, hier, und hier). Regelmäßiges Atemtraining bei Schlaganfallpatienten, 3x 30 min pro Woche für 4 Wochen, steigerte die Griffkraft um 30% (Publikation hier). Bei einigen chronischen Erkrankungen, die das Zwerchfell beeinträchtigen, zeigt sich eine gestörte motorische Koordination, wie z.B. bei Patienten mit COPD und Herzfehlern (Literaturstelle hier).
All diese Evidenzen machen deutlich, daß wir mit unserer Atmung einen signifikanten Einfluß auf Mobilität, Kraft, Stabilität und Koordination haben. Inspiration akut und und regelmäßigäg unsere Atmung für mehr Kraft zu üben und einzusetzen.
Einige Möglichkeiten mit dem Atem zu experimentieren und zu Üben um Mobilität und Kraft beim Klettern zu verbessern:
Beim Aufwärmen zum Aktivieren bieten sich drei verschiedene Atemübungen an, die gut zu kombinieren sind. Den Anfang macht das Stufenatmen. Durch die Nase in drei Stufen erst rundum in den Bauch, dann rundum in die unteren Rippen, und schließlich in oberen Brustkorb/Schultern Einatmen. Dann von oben nach unten alles Ausatmen. Das Ausatmen sollte ungefähr so lang sein wie das Einatmen in den drei Stufen. 2-4 Minuten so atmend den eigenen Rhythmus finden. In ihrer Auswirkung auf Mobilität und Kontrolle wird diese Atemübung noch besser, wenn sie mit verschiedenen Körperpositionen verbunden durchgeführt wird. Besonders effektiv ist sie meiner Meinung, wenn sie mit Rotation im Oberkörper durchgeführt wird. Im Stand kann das z.B. sehr einfach an einer Wand durchgeführt werden. Die Füße stehen im normalen schulterbreiten Stand parallel zur Wand und nun werden Oberkörper und Kopf zur Wand gedreht, bis ich mit beiden Händen auf Bauchhöhe flach an der Wand diese Position stabilisieren kann. in dieser Hand-an-Wand gestützten Rotationsposition wird dann für einige Male das Stufenatmen durchgeführt. Danach wird dann die Fußposition um 180 Grad gedreht und in die andere Richtung rotiert und in Stufen geatmet.
Danach 3x verstärktes Ausatmen. Mit einem tiefen Atemzug Luft hauptsächlich in den Rumpf einatmen. Handseiten seitlich zwischen Becken und Rippen in den Bauch gedrückt sollten sich dabei nach außen weiten. Dann alles ausatmen, bis Bauchmuskulatur und Beckenboden sich sehr angespannt fühlen. Dann, evtl. mit Handdruck auf den Bauch versuchen mit weiterem ‚Atempressen‘ versuchen noch mehr auszuatmen, bis die Bauch- und Beckenspannung kaum noch auszuhalten ist. Dann einfach loslassen und tief einatmen und den Atem sich wieder beruhigen lassen. Mit ruhigem Atem dazwischen das Ganze ‚Atemherauspressen‘ noch zweimal durchführen.
Zum Abschluß der Atemaktivierung noch pulsierendes Ausatmen mit dem Bauch mit erhöhter Frequenz, eine aktivierende Art der Hyperventilation. Wir stehen und atmen durch ‚gespitzten Mund‘ stoßartig so aus, wie wenn wir eine Kerze auspusten. Der kerzenausblasende Atemstoß kommt aus dem Bauch. Ist der Atem ausgestoßen, sollte der Bauch leicht nach innen gewölbt und angespannt sein. Ist die Bauchwölbung nach innen und die Bauchmuskelspannung wahrnehmbar werden 15-20 derartige Kerzenauspuster ‚pulsierend‘ direkt nacheinander ausgeführt. Danach läßt man den Atem sich beruhigen, bevor noch zweimal 20 Kerzenauspuster durchgeführt werden. Es kann versucht werden die beiden folgenden 20-ger mit schnellerer Pust-Frequenz als den Vorgänger durchzuführen.
Atmen und Klettern verbinden ist geleitet von der Intention folgende Erfahrungen zu machen: Der Atem bewegt den Körper, der Körper bewegt den Atem, Atem und Körper bewegen sich zusammen. Erleben oder beüben wir bewußt diese Bereiche lernt unser komplexes Körper-Geist-System mehr über Grenzen. Bewegungskarten werden aktualisiert. Gleichzeitig, werden so Muster aussortiert, die nicht gut funktionieren. All diese Systemvorgänge machen Bewegung besser. Für eine kurze Zeit oder häufiger beübt steht uns langfristig bessere Bewegung autonom zur Verfügung.
Üben kann so leicht aussehen wie die Hand beim Einatmen zu öffnen und beim Ausatmen zu schließen, oder auf’s Klettern bezogen beim Ausatmen den Griff zu greifen und je nach Notwendigkeit zu Ziehen oder zu Drücken. Eine weitere Übungsmöglichkeit besteht darin den Oberkörper in einer bestimmten Standposition beim Einatmen in die Richtung eines neuen Griffs zu drehen und beim Ausatmen in die andere Richtung zurückzudrehen. Das kann erst ohne Positionsveränderung und dann beim zweiten Mal mit Positionsveränderung einhergehen.
Wollen wir für eine bestimmte Position mehr Kontrolle, lohnt es sich die äußersten Bewegungsbereiche in Gelenk und Körperstellungen aktiv zu mobilisieren. Atemübungen bieten eine Möglichkeit dazu Grenzen und Möglichkeiten zu erweitern. Übungen wie die folgende geben unserem Gehirn die Nachricht, daß mehr möglich und kontrollierbar ist. Mehr Bewegungsmöglichkeiten stehen in Folge zur Verfügung. Das ist zum Beispiel recht einfach durch einen erhöhten Bewegungsumfang zu Testen. Eine ‚Atemgrenzübung‘ könnte folgendermaßen aussehen: In einer schwierigen Position wird z.B. durch die Nase in den Bauch eingeatmet. Dann wird diese Luft im Bauch ohne weiter zu Atmen durch Bauchspannung in den Brustkorb geschoben, und wieder zurück aus dem Brustkorb in den Bauchraum. Danach für einige Atemzüge entspannt atmen. Mehrere Variationen sind möglich und nützlich. Z.B.in der gewählten Position nur in den rechten Bauch atmen und dann diesen Luftball zwischen rechtem Bauch und rechtem Brustkorb hin und her schieben. Nach mehrfachem Wiederholen auf der rechten Seite das einseitige Prozedere auch auf der linken Bauch- und Brustkorbseite wiederholen. Weiter variierend wird wieder in den rechten Bauch eingeatmet und dann bei abgehaltener Luft der Luftball vom rechten Bauch in den linken Brustkorb nach oben verschoben. Diese diagonale Luftverschiebung mehrfach wiederholend wird dann auch noch die linke Bauchseite beatmet und die Atemluft bei angehaltener Luft mehrfach in den linken Brustkorb verschoben.
Jede Art von Position oder Bewegung kann so mit Kreativität in ihren limitierten Bereichen verbessert werden. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Mit etwas Gespür und nützlichem vorher nachher Testen kann recht effektiv die wirksamste Atemübung identifiziert werden. Diese kann dann sehr zeitsparend gezielt eingesetzt werden. Es müssen nicht mehr alle Möglichkeiten durchgespielt werden. Vielfältig auszuprobieren und die Übungen zu wählen, die sich für einen gut anfühlen ist natürlich auch eine Möglichkeit. Das ist zwar scheinbar nicht so effizient, doch langfristig bekommt unser Bewegungssystem so mehr Anpassungsfähigkeit und stabile Bewegungskontrolle, wenn sich die Bedingungen ändern. Nicht funktionierendes wird aussortiert und Kontrollmuster werden autonomer und stabiler. Ausprobieren. Sich von der eigenen Intuition leiten lassen. Das sind ernstzunehmende Übungen, wir sollten daher Spaß dabei haben. Mit dem Atem führen.
Entspannen – Erholen – Fokussieren
Vermehrtes Atmen mit dem Zwerchfell über Bauch, Seiten, und Rücken, die sich wie ein rundherum vergrößerndes Faß erweitern ist biomechanisch und neurologisch die wirkungsvollste Art zu Atmen. Stress wird reduziert, das Gehirn wird positiv aktiviert, mehr Parasympathikus + motorische Aktivierung, und der Gasaustausch mehrfach optimiert. Nur in den Bauch zu atmen ist ein guter Anfang, da die wichtige Zwerchfellatmung verstärkt wird und die Stressatmung in den Oberkörper/Schulterbereich reduziert wird.
Beim Klettern ist eine schwierige persönliche Balance zu finden zwischen der Atmung unter/mit Spannung die mehr Kraft bringt und der natürlichen entspannten Atmung in den Bauch, die bessere Ausdauerleistungen erbringt. Bei dynamischeren Bewegungen nimmt uns allerdings Spannung in verschiedenen Körperbereichen oft die Möglichkeit dynamisch Kraft zu entwickeln. Zusätzlich ermüdet uns zu viel Spannung schnell. Gut, das heißt flexibel und willentlich entspannen zu können ist daher sicherlich eine wichtige Eigenschaft für ausdauerndes und anspruchsvolles Klettern. Der Atem bietet eine gute Möglichkeit sowohl Spannung aber vor allem auch willentlich mehr Entspannung und Erholung zu bekommen.
Atmen durch die Nase statt durch den offenem Mund ist eine gute Möglichkeit den Körper dazu zu bringen stressfreier und effektiver zu atmen (wir atmen mehr mit dem Zwerchfell, mehr mit der ganzen Lunge, und über CO2 und NO-Effekte wird Sauerstoffaufnahme und Sauerstoffaustausch verbessert.). Besonders für Erholung ist Atmen durch die Nase wichtig. Können wir bei Belastung nicht mehr durch die Nase Atmen und müssen wir die Mundatmung hinzunehmen, geraten wir in eine Stressatmung. Das zeigt an, daß unsere Systeme überfordert sind. Paradoxerweise bewirkt das stressartige Mehratmen keine bessere Sauerstoffversorgung, reduziert Ressourcen des Nervensystems, und bringt unseren Stoffwechsel weiter in eine ungünstige Schieflage – Alkalosis. Weniger und langsamer Atmen ist daher die paradoxe aber für uns beste Reaktion in solch einer Situation. Bewußte Nasenatmung ist dabei ein wichtiger Schritt, der uns helfen kann Ruhe, Kontrolle, und Erholung zu bringen.
Isometrische Atemübungen helfen zusätzlich zu vermehrter Zwerchfellatmung Konzentration und Fokus zu verbessern. Mit dem Athemrhythmus zu spielen und zu erkunden ist in sich eine Form der Meditation. Meditation/Mindfulness sorgt wissenschaftlich nachgewiesen für bessere Leistungsfähigkeit und Erholung. Konkret bewirkt so eine gute Atemmeditation weniger Schmerz und mehr Ausdauer.
Isometrische Atemübungen, die mit dem Atemmuster experimentieren zwingen uns dazu unsere Muskeln über einen langen Zeitraum zu kontrollieren. Über den atemsteuernden Vagusnerven wird so unter anderem das Entspannung und Erholung fördernde parasympathische Nervensystem aktiviert. Diese Art der Atemmuskelkontrolle hilft nicht nur dem Atmen auf eine subtile aber wichtige Art und Weise (Aktueller Übersichtsartikel wie Atem unser Nervensystem beeinflußt hier). Gehirnaktivität wird erhöht, z.B. in bewegungssteuernden Regionen. Atemrhythmen synchronisieren Gehrinregionen. Die Blutversorgung des Gehirns verändert sich. Und die Gehirnmasse selbst wird durch den Atem bewegt. Mit verändertem Atem entsteht so eine andere Wahrnehmung der Situation. Mehr Sicherheit, das Wahrnehmen von Kontrolle, oder von mehr Möglichkeiten – innen und außen – wird so erzeugt.
Die Praxis den Atem zu zählen während des Kletterns, z.B. bei Haltepausen, oder als Erholungsstrategie lohnt sich. So steht Entspannung innerhalb weniger Minuten dann zur Verfügung wenn’s eine stressvolle schwierige Situation gibt oder diese bevorsteht.
Ziel ist es für einen bestimmten Zeitraum in einem bestimmten Athemrhythmus zu atmen. Dieser Zeitraum kann dann verlängert werden, wenn man sicherer in seiner Atemtechnik geworden ist.
Es stehen mehrere Variationen im Training mit dem Athemrhythmus zur Verfügung. Such‘ Dir einen Rhythmus aus, der sich für Dich selbst gut anfühlt und beginne damit zu üben.
Atemübungen während des Kletterns
Eine der einfachsten Übungen zur ‚Entstressung‘ und Erholung ist das Atmen durch die Nase. Nach einer anstrengenden Position so schnell wie möglich durch die Nase atmen und dann wenn möglich für z.B. 20 Sekunden die Nasenatmung aufrechterhalten. Der entspannende Effekt der Nasenatmung (auch wenn’s sich erst nach etwas Zeit entspannt anfühlt) kann wie z.B. von Adam Ondra in obigem Video demonstriert durch ein Ausatmen durch den offenen Mund verstärkt werden. Einatmen durch die Nase, Ausatmen durch den offenen entspannten Mund. Entspannen wir den Kieferbereich mit offenem Mund entspannen sich auch die Muskeln in Bauchraum und Becken. Beim Ausatmen über den Mund kann auch mit der durch ‚Pferdeschnauben‘ erzeugbaren Entspannung experimentiert werden. Beim Ausatmen wird der Mund dabei mit entspannten Lippen leicht geschlossen. Die ausgeatmete Luft läßt dann die Lippen vibrieren und sorgt für das ‚Schnauben-Geräusch‘.
Atemübungen in den Pausen beim Boulder Training
Werden z.B. 8 Boulder-Versuche in einer bestimmten Route durchgeführt bietet sich folgendes Atemerholungsprogram in den Pausen an: Jeweils direkt nach den ersten beiden versuchen 2x für 20 Sekunden reine Nasenatmung kombiniert mit Luftanhalten nach Ausatmung. Nach jedem von zwei weiteren Boulder Versuchen 2x für 20 Sekunden Nasenatmung mit Luftanhalten nach dem Einatmen.
Nach dem 7. Boulder Versuch einmal für 30 Sekunden Nasenatmung mit Luftanhalten nach dem Ausatmen und 30 Sekunden Nasenatmung mit Luftanhalten nach dem Einatmen.
Nach Beendigung des finalen 8-ten Boulder Versuchs je 3x 30 Sekunden Nasenatmung mit Luftanhalten nach dem Ausatmen und 3x 30 Sekunden Nasenatmung mit Luftanhalten nach dem Einatmen.
Die ‚Luftanhalt-Übungen‘ sind beim Klettern sicherlich anfangs sehr gewöhnungsbedürftig und ungewöhnlich. Beim Schwimmtraining und beim Lauftraining werden sie immer öfters mit guter Wirkung genutzt. Obwohl sich während der ‚Atembegrenzung‘ das Ganze eher schwerer anfühlt sollte gerade am Ende nach 6 Runden Nasenatmung mit Luftanhalten die Erholung deutlich zu spüren sein. Einmal ausprobiert und die positive Wirkung erfahren wird dann sicherlich häufiger mit dem Atem gearbeitet oder der Atem genutzt.
Abwärmen und Erholen, nach einem Klettertraining oder nach einer Kletterroute
Atmen nach einem langsamen Rhythmus fördert Entspannung und Erholung. Durch den langsamen Rhythmus wird Vagusnerv und Parasympathikus angesprochen und im Nervensystem auf Erholung umgeschaltet. Der Effekt wird noch verstärkt bei Atmung ausschließlich durch die Nase. Die vielfältig nützliche Zwerchfellatmung wird so benutzt, die Fähigkeit des Körpers CO2 zu tolerieren wird verbessert, zusammen damit wird der Sauerstofftransport ins Gewebe verbessert, und schließlich wird die psychologisch / emotionale Anpassung, die Fähigkeit mit Stress umzugehen verbessert. Es lohnt sich dies z.B. mit folgendem Protokoll einmal auszuprobieren. In den Pausen in einer Route, in einer Pause nach einem Boulder-Versuch, oder am Ende einer Kletteraktion.
4-10 Runden ‚Quadratatmung‘, mit folgendem Rhythmus: 1-1-1-1, 1 Einheit (z.B. 3 Sekunden oder 3 Herzschläge) Einatmen, 1 Einheit eingeatmet Luft anhalten, 1 Einheit Ausatmen, 1 Einheit ausgeatmet Luft anhalten.
Anfangs, direkt nach einer Anstrengung, sind die Zeiten einer Runde, besonders die Zeiten des Ausatmens sehr schwer. Macht sich die Entspannung breit wird das Ausatmen von Runde zu Runde leichter. Wenn’s sich entspannt anfühlt können die Einheiten verlängert werden und so die Entspannung vertieft werden.
Es gibt mindestens ein gutes Dutzend verschiedene Erholungs-Atemtechniken für Pausen oder nach Belastungen. Alle spielen mit Mechanismen die das Nervensystem entspannen, die körperliche Erholungsreaktion damit ankurbeln, und die über CO2-Toleranz bzw.Erhöhung die Sauerstoff- und Energieversorgung verbessern. Die Quadratatmung funktioniert aus meiner Erfahrung gut, da dem ungewohnten Stress der Atemreduzierung für Entspannung und bessere Sauerstoffversorgung, die positive Erfahrung hinzukommt, daß langes Ausatmen immer leichter wird und sogar die Phasen sukzessive verlängert werden können.
Auf Stress in ihrem täglichen Leben reagieren wir genauso wie auf Stress beim Klettern: flaches Atmen, schneller Herzschlag, Schwitzen, benebeltes Denken und es gibt eine Hitzewelle, die durch uns durch zieht.
Verschiedene Atemübungen wie oben vermitteln uns ein Gefühl der Sicherheit, reduzieren so Stress und helfen unserem Geist auch im täglichen Leben zu fokussieren.