Besser durch Zuschauen 12/17/2018
‚WennDu Deinen Atem besser wahrnimmst, nimmst Du alles andere auch besser wahr‘
DanBrulè, Breathwork.com, Atemexperte
Innsbrucks innovative Treppe – Achtsamkeit statt Stress
Bessere Nahversorgung war so ein Effekt, der 2014 mit der Eröffnung der schwebenden Stiege über 230 Stufen den Bewohnern des Innsbrucker Stadtteils Hötting zu Teil werden sollte. Lange Fußgängerumwege gehörten der Vergangenheit an. Lebensqualität am Sonnenhang wurde optimiert. Die Treppe fordert allerdings auch etwas. Benutzerinnen und Benutzern wird gute körperliche Konstitution abverlangt. Jeder der die Treppe begeht muß sich in Bewegung mit sich und seinem Körper auseinandersetzen. Der Atem verändert sich. Die Wahrnehmung verändert sich. In der mehr oder weniger anstrengenden Langsamkeit entsteht Achtsamkeit. Läßt man sich auf diesen achtsamen Treppenweg ein entgeht man nicht nur dem Stress der oft verstopften Innsbrucker Hauptverkehrswege, sondern entstresst kommt man auch in Kontakt mit den eigenen Ressourcen. Entstresst und durch einfaches Zuschauen verändert sich unser Kontext und wir bekommen Einsichten und Möglichkeiten diesen noch weiterin unserem Sinne zu verändern. Mit dem Sinnbild dieser wahrnehmungsverändernden Treppe will ich weiter aufzeigen, wie wir durch Beobachten unseres eigenen inneren Stufenprozesses, unseres Atems, unseren Kontext verändern und dadurch Emotionen und Bewegung besser Managen – mit erstaunlichen Auswirkungen auf unsere Lebensqualität.
Wahrnehmen – der erste Schritt eigene Ressourcen zu nutzen
Verschiedene Atemmuster oder verschiedene Wege zu Atmen sind mit verschiedenen Körper- und Bewußtseinszuständen verbunden. Entspannung,Kraft, Glück, und auch Frieden lassen sich entdecken und erleben, wenn wir unsauf diese Muster einlassen. Im Atem wird unser System in Richtung dieser Zustände bewegt. Im neugierigen Beobachten unserer Mechanismen und Zustände z.B. beim Atmen bekommen wir Zugang zu unseren innewohnenden Lernmechanismen aus Auslösern, Verhalten, Belohnung und Wiederholung zur Verstärkung. Wir bekommen Einblicke, wie uns Dinge im Inneren beeinflussen. Einsichten in positive und negative Auswirkungen. Im neugierigen Beobachten schaffen wir eine Brücke vom Unbewußten zum Bewußten, und gleichzeitig sind wir den Dingen nicht mehr so ausgeliefert. Innere Reaktionen bekommen so ‚Möglichkeiten‘ und können verändert werden.
Haben wir unserem Atem genug zugeschaut entsteht in uns das Bewußtsein, daß es nur den Atem braucht, um unseren aktuellen Zustand zu verändern. Das befreit und gibt ein interessantes Freiheitsgefühl. Je nachdem was aus der Umwelt auf uns einströmt und uns beeinflußt, oder wenn in uns z.B. eindepressives Gefühl aufkommt benötigen wir nur unseren Atem um diesen Zustand zu verändern. Aus erfahrener und gefühlter Atemkompetenz heraus haben wir weniger Angst vor negativen Zuständen und Einflüssen und können uns verändernd mit diesen Situation auseinandersetzen. Wir sind nicht mehr im Flucht- oder Kampf-Modus, haben dadruch mehr Möglichkeiten und können unsere eigenen Ressourcen besser nutzen. Grundlage dafür ist die Schulung unserer neugierigen Wahrnehmung für uns selbst und unseren Atem.
Durch Training von Achtsamkeit für Atem, Körper, verschiedene Zustände und deren Dynamiken in Situationen mit verschiedenem Kontext wird aus dem bewußten Betrachten eine unbewußte Kompetenz. Kommen wir dann z.B. in negative Situationen, betrachten wir unseren Atem, so übernimmt der vielfältige Atem die Arbeit die Situation zu verändern. Man muß selbst bewußt kaum noch etwas dazu tun. Schulung unserer Wahrnehmung ist essentiell. Nützliche Gewohnheiten entwickeln sich daraus. Grenzen lösen sich auf. Wir sind weniger ausgeliefert, und können eigene Ressourcen effektiv nutzen. Niemand anderer da draußen mit dem perfekten Protokoll, dem perfekten Coaching hat die Macht. Ressourcen und Kräfte liegen in uns selbst. Durch Schulung unserer Aufmerksamkeit nutzen wir sie immer leichter und einfacher.
Steuerung der Aufmerksamkeit im Gehirn – Was macht Aufmerksamkeit besser ?
Untersuchungen einfacher Lenkung der Aufmerksamkeit auf Bewegungen bei der Feldenkrais Methode zeigen im „funktionellen Gehirnscan“ daß nach den Übungen im Ruhezustand in Arealen, die für Bewegungsausführung zuständig sind eine erhöhte Aktivität nachgewiesen wird (Publikation hier). Je nach Steuerung der Aufmerksamkeit bei den Übungen können mehr sensorische Bereiche, die zum Fühlen einzelner Körperteile dienen, oder für Handlungen zuständige Areale aktiviert werden. Die im Ruhezustand beobachtete erhöhte Aktivität in höheren für Handlungen zuständigen Kortexarealen bekräftigt, daß lokale und globale Aufmerksamkeitsübungen mit Handlungen beschäftigte Gehirnnetzwerke aktivieren.
Fokussierte Wahrnehmung macht so über die folgende Hirnaktivierung zukünftige Bewegung besser. Mehr Handlungsmöglichkeiten stehen uns zur Verfügung.
Netzwerkuntersuchungen auf der Basis von MRI Daten von Yoga-Übenden, Meditierenden, und Kontrollen zeigten, daß Yoga und Meditationpraktizierende Menschen erhöhte und verbesserte Verbindungen zwischen Großhirnrinde, Basalganglien, und Thalamus besaßen ( Publikation hier).
Verbesserte Verbindung von bewußter Bewegungssteuerung und der persönlichen, emotionalen Bedeutung von Bewegung zeigen, daß Personen mit Aufmerksamkeitsübungen einen besseren und stärkeren Umgang mit Bewegungsinformation haben. Das erklärt die Beobachtung, daß Meditierende und Yoga betreibende mehr Flexibiltät in Kognition und Verhalten zeigen (Publikation hier).
Mit neugieriger, fokussierter Aufmerksamkeit lernen wir über unsere eigenen meist unbewußten emotionalen Gewohnheiten und Körperempfindungen. Wir bekommen dadurch Zugang zu einem der ältesten Lernmechanismen, den wir dadruch ‚ent-automatisieren‘ könnnen. Aufmerksamkeitstraining bewirkt dementsprechend eine bessere Performance im sog. Stroop Task, der die Fähigkeit zur Unterdrückung einer automatisierten Reaktion und der Kontrolle von Handlungsimpulsen dokumentiert (Publikation hier).Aufmerksamkeitstraining hilf daher dabei automatische Reaktionen unter bewußtere Kontrolle zu bringen.
Achtsamkeitstraining kann für positive und negative Zustände bzw. Reaktionen genutzt werden. Achtsamkeitstraining für negative körperliche und geistige Zustände hilft so negative Reaktionen auf verschiedene Auslöser mit nützlichen, z.B. stressreduzierenden oder anderweitig positiven Antworten zu ersetzen. Beim Blick auf die Gehirnaktivitäten fällt nach Achtsamkeitstraining auf, daß der bei Affekt ‚Kurzschlußreaktionen‘ überaktive Bereich des Posterioren Cingulären Cortex sehr viel weniger aktiv ist (Publikation hier). Was bedeutet, daß wir mit Achtsamkeitstraining unseren negativen Affekten nicht mehr so stark ausgeliefert sind, und unsere Emotionen und Körperempfindungen besser Managen können. Unsere Gehirnkompetenz verbessert sich, mehr Möglichkeiten stehen uns zur Verfügung, die wir in Selbsterfahrung für uns in unserem eigenen positiven Sinn nutzen können. Als zusätzlichem Effekt der besseren Eigenkompetenz bei Gefühlen durch Achtsamkeitstrainings nehmen wir negative körperliche oder gedankliche Zustände nicht mehr so persönlich. Es gibt einfach mehr in uns, was uns an Gehrinreaktionen zur Verfügung steht. Unsere selbstbezogenen Gedanken ändern sich dadurch erstmal nicht. Statt mit bewußten Gedanken arbeiten wir mit unseren eigenen Lernprozessen. Vielfältig und auch mit größeren Schwierigkeiten oder Stress eingeübt stehen uns erzielte Veränderungen auch bei Stress und anderen Widrigkeiten zur Verfügung. Unsere Veränderungen sind damit alltagstauglicher und machen uns anpassungsfähiger.
Zuschauen, achtsam beobachten, verbessert die Aktivität in Hirnarealen, die mit Bewegung und Verhalten zu tun haben. Zudem werden Verbindungen zwischen Arealen, die sich mit Bewegung und Verhalten beschäftigen, gestärkt und vermehrt. Affektive negative ‚Kurzschlußreaktionen‘ oder angenommene Grenzen werden gemindert oder relativiert. Achtsamkeit ist damit ein wirksames Hilfsmittel, um unsere Handlungs- und Bewegungsfähigkeit zu verbessern.
Mit Achtsamkeit zu mehr und besserer Bewegung
Was der Mensch nicht fühlt und wahrnimmt, kann er auch nicht gut bewegen. Jede Handlungsfähigkeit, jede gute Bewegungsfähigkeit, Kraft, Mobilität oder Koordination geschieht nur auf der Grundlage von Aufmerksamkeit oder der Fähigkeit zu Fokussieren. Die Verbesserung der Aufmerksamkeit ist daher ein zentraler Punkt wenn wir uns mit unserem Körper inirgendeiner Form verbessern oder verändern möchten. Können wir unserem Gehirn durch Aufmerksamkeit und Fokussierung vermitteln, daß etwas das gerade geschieht wichtig ist werden die entsprechenden Signale optimal weitergeleitet und verarbeitet. Ein wichtiges Prinzip, das Grundlage für wirkungsvolles Üben und Trainieren ist.
Als Coach bieten sich viele Möglichkeiten an das in einem Training hilfreich einzusetzen. Durch Fragen kann Aufmerksamkeit gelenkt werden. Wie fühlt sich das in deinem Fuß an? Durch sensorische Stimulierung passiv und aktiv kann die Wahrnehmungsfähigkeit eines Menschen unterstützt werden. Z.B. bereitet leichtes Reiben, Klopfen, Drücken oder Vibrieren, sowie einfaches Mobilisieren den Bewegungsaparat optimal vor. Fokus wird aufbestimmte Stellen gelenkt und dem Gehirn wird mehr Information aus diesen Bereichen zur Verfügung gestellt. Bessere Ansteuerung der Bewegung wird möglich. Steuerung des Rhythmus und der Geschwindigkeit von Bewegung durch einen Coach ist eine weitere hilfreiche Möglichkeit Wahrnehmung und Bewegung zuverbessern. Wird z.B. eine Bewegung sehr langsam ausgeführt erhöht sich deutlich die Konzentration des Übenden und es gibt mehr Signale aus dem beübten Körperbereich.
Mit Hilfe von externen Zielen als Wahrnehmungshilfen wird die Selbstregulation des bewegungssteuernden Nervensystems angeregt und eine für viele Situationen nützliche Bewegungsverbesserung erzielt. So wurde z.B. in der Rehabilitation von Knieverletzungen in virtueller Realität ein Ziel für eine optimale Kniebewegung vorgegeben (Publikation hier). Das Üben im immer besseren Erreichen des virtuellen Ziels, ‚achtsam die eigene Bewegungslösung beim Strecken des Knies zu finden‘, führte dazu daß stabile Landungsbewegungen erreicht wurden ohne diese selbst zu Trainieren. In den Gehirnen der Teilnehmer dieser Untersuchung wurde mit bildgebenden Verfahren gezeigt, daß erhöhte Aktivität im sensorischen und visuellen Kortex sowie in Regionen für Bewegungsplanung mit einer verbesserten Landungsmechanik korrelieren. Änderungen der Wahrnehmung und ihrer Verarbeitung im Gehirn machten Bewegung besser und reduzierten das Verletzungsrisiko.
In der Rehabilitation nach muskuloskeletären Verletzungen erwies sich auch klassisches Mindfulness oder Achtsamkeitstraining als sinnvoll. Schmerz oder der Umgang mit Schmerz wurde durch Achtsamkeitstraining reduziert. Die Rehabilitation mit Bewegungsbelastung und Bewegungslernen wird so besser möglich. Die Rehabilitation und die Wiederherstellung funktionieren durch Veränderung des Schmerz und wie weiter oben gezeigt durch Aktivierung von ‚Bewegungsarealen‘ im Gehirn mit Aufmerksamkeitstraining besser und schneller. Körper und Geist lassen hilfreiche Bewegung eher zu.
Weitere unterstützende Daten aus klinischen Untersuchungen bei der Wiederherstellung von Muskel-Skelett-Erkrankungen oder in der Sport-Rehabilitation sind rar. Therapien oder Ansätze mit Mindfulness zeigen allerdings bestätigend eine Vergrößerung des Somatosensorischen Kortex (8 Wochen Mindfulness Training – Publikation hier). Bessere Bewegung durch bessere Wahrnehmung ist daher sehr wahrscheinlich, aber als klinisches Ergebnis bis jetzt nicht nachgewiesen.
Achtsamkeit – Umgang mit Emotionen, Bsp Depression
Achtsamkeitsübungen und Therapien im Umgang mit Trauer und Depression zeigten deutliche Wirksamkeit. Wirksamkeiten die z.B. nach 8 Wochen‚Training‘ (2h1x pro Woche in der Gruppe+ Hausaufgaben) deutlich über der Wirksamkeit von Bewegung liegen (klinische Untersuchung hier). Die durchgeführten Achtsamkeitsübungen sind sogenannte Bodyscans/Körperwahrnehmungen, Sitzmeditationen, wahrnehmende Atemübungen (3-minute breathing spaces) und achtsame langsame Bewegungsübungen.
Ziel dieser Achtsamkeits-Körper-Übungen bei Depression und Trauer ist es über die bewußte Wahrnehmung verschiedener Körperempfindungen den inneren Umgang mit Emotionen zu verändern, um dann damit das eigene Management schwieriger Emotionen wie Trauer und Depression zu verbessern. Und dieses einfache Wahrnehmen unserer Körperempfindungen funktioniert. In der obengenannten klinischen Studie gehen Depressionen um 36% zurück (im Verhältniszu 25% Reduktion bei Bewegungs-/Musik-/Ernährungs-Therapie) und 30% derBeteiligten hatten eine sinnvolle Reaktion auf die Therapie (im Unterschied zu 15% bei der Bewegungs-/Musik-/Ernährungs-Therapie). Der Effekt scheint gering,ist allerdings besser als mit Medikamenten.
Achtsamkeitsübungen sind in ihrer Wirkung etwas anderes als über den Körper nachzudenken. Zindel Segal einer der führenden Wissenschaftler dieser Untersuchungen zeigt das sehr eindrucksvoll erfahrbar in seinem TED-Vortrag in dem er die Zuhörer einmal über ihre Füße nachdenken läßt und einanderes Mal sie nur die Empfindungen ohne Urteile wahrnehmen läßt:
Auf der psychologischen Ebene entsteht bei Patienten, die durch derartige Achtsamkeitsprogramme liefen das Gefühl der Selbstkompetenz und das Gefühl sich selbst belohnen zu können. Diese entstandene Selbstwirksamkeit hat einen sehr positiven Effekt. Die empfundene Selbstwirksamkeit motiviert betroffene Menschen weiter mit diesen Methoden mit sich zu arbeiten, so daß siezu einfachen Gewohnheiten werden, die in verschiedenen Situationen leicht und automatisch zur Verfügung stehen.
Das Gehirn verändert sich im Rahmen dieser Aufmerksamkeitsübungen in seinem Volumen, in seiner Struktur und in seinen Verschaltungen. In Folge wird Fokus und Aufmerksamkeit allgemein leichter, Denkprozesse funktionieren besser, und besonders ein Netzwerk zuständig für die Verarbeitung des aktuellen Moments wird verbessert. Der Bereich der Insula im Großhirn wird besser reguliert. Der Bereich der Insula ist zuständig für die Interoception,Wahrnehmung innerer Empfindungen, und wie diese emotional eingeschätzt werden. In bildgebenden Verfahren wie fMRI sieht man dann nach Achtsamkeitstraining eine Verstärkung der Aktivität in der Insula. Mehr Empfindungsinformation aus dem inneren Wahrnehmungsraum steht zur Verfügung (Übersichtsarbeit hier). Gleichzeitig verringert sich die Aktivität im sogenannten Executive Netzwerk indem unser Denken und Planen meist stattfindet.
Funktionelle Bildgebungsstudien zeigen, daß Achtsamkeitsübungen im Unterschied zu Entspannungsübungen dazu führen, daß sich im Ruhezustand das sogennannte ‚Default mode network‘ aktiv mit der linken dlPFC Region (dorsolateral prefrontal cortex) verknüpft, die hirarchisches Planungsdenken steuert (Publikation hier). Achtsamkeitstraining verbessert so vereinfacht die Balance zwischen Denken und Wahrnehmen. Weniger Denken und mehr Wahrnehmen.
Mit Wahrnehmung zu mehr Ausdauer – mehr Reslienz bei Stress
Wir können unsere Ausdauerfähigkeit verbessern indem wir besser mit unseren Emotionen umgehen. Wir lernen besser mit unseren Emotionen umzugehen, indem wir lernen unsere Aufmerksamkeit zu steuern und besser wahrnehmen. In einer stressvollen Situation leistungsfähig zu bleiben ist eine Fähigkeit vieler Hochleistungssportler. Hinter der Fähigkeit erfolgreicher Athleten steckt eine proaktive Art und Weise die eigene Leistungsfähigkeit zu optimieren. Weniger erfolgreiche Sportler zeigen oft ein einfaches Erholungsmuster bei stressvollen Widrigkeiten z.B. während eines Wettkampfes. Widrigkeiten triggern bei weniger erfolgreichen Sportlern eine Periode mit Panik und Angst vor zukünftigem Versagen, ohne daß der Versuch unternommen wird sich nützliches Verhalten im Umgang damit anzueignen. Einfaches Training der Aufmerksamkeit, wie es von verschiedenen Mindfulness-ansätzen betrieben wird verbessert den Umgang unseres Gehirns mit stressvollen Situationen.
Mindfulness ist Achtsamkeit die durch bewußte Lenkung einer nicht beurteilenden Aufmerksamkeit auf die eigene Erfahrung von Moment zu Moment. In einem 8-wöchigen, derartigen Achtsamkeitstraining lernten Elite Marinesoldaten‘Marines’ in Kalifornien sich täglich ca. 10 Minuten auf Ihre Füße zu Fokussieren (Publikation hier).
Gehirnscans zeigten, daß sich die emotionale Verarbeitungim Gehirn änderte. Zu Beginn des Tests wurde angekündigt, daß die Zufuhr an Atemluft an einem bestimmten Zeitpunkt des Tests eingeschränkt wird. Bei Eintreten der stressvollen Situation mit weniger Atemluft erhöhte sich im Gehrinscan die Blutzufuhr zur sogenannten Insula Region im Großhirn. Das Gehirn der Marinesoldaten schaltet nach Achtsamkeitstraining vermehrt die Interoception an, um herauszufinden, wie sich der Körper gerade fühlt. Dann während der Atemreduktion verminderte sich der Blutfluß in der Insula wieder. Die Gehirnreaktion der trainierten Soldaten macht deutlich: Hey ich weiß jetzt kommt etwas Hartes, aber ich hab‘ trainiert und gehe auf Nummer Sicher, damit ich nicht zu viel drüber nachdenke und mich in Emotionen verstricke. Untersuchungen zu den Wirkungen eines mehrwöchigen Achtsamkeitstrainings bei Elite-Sportlern bestätigt die beobachtete positive Gehirnwirkung (Publikation hier). Zusammenfassung der Veränderungen im Gehirn bei Achtsamkeitstraining von Michael Paulus aus SanDiego hier.
Für besseren Umgang mit stressvollen Situationen lernten die Marines durch das innere Beobachten ihrer Füße ihre Emotionen zu managen, um vorhandene Energien und Fähigkeiten für die Situation freizusetzen. Das Durchhaltevermögen der Marines verbesserte sich in Trainingssituationen deutlich. Gehirnscans erfolgreicher Triathleten oder leistungsfähigermilitärischer Spezialeinheiten wie Navy Seals zeigten im Vergleich zu Normalpersonen ähnlich veränderte Gehirnabläufe im Umgang mit Stress.
Das Fuß-Achtsamkeitstraining der Marines macht deutlich, daß wir mit besser gesteuerter Wahrnehmung das Management unserer Emotionen bei Herausforderungen verbessern können. Das bringt mehr Raum für Bewegung und Handlung, mehr Leistungsfähigkeit, mehr Ausdauer und mehr Resilienz.
Training der Wahrnehmung – ein stark unterschätzes Werkzeug für bessere Bewegung, Leistungsfähigkeit, und Wohlbefinden
Durch die veränderte Balance unserer Netzwerke im Gehirn stehen uns ganz allgemein mehr Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Diese Handlungsmöglichkeiten können wir durch Übung und Variation mehr und mehr selbstwirksam nutzen.
Achtsamkeitstraining verändert unser Gehirn und damit wie wir denken. Mehr innere Ressourcen stehen uns zur Verfügung. Ein Potential, das in uns allen steckt, und das wir für mehr Lebensqualität in verschiedenen Umständen für uns nutzen können. Es ist einfach. Wir benötigen allerdings vielfältige Übung, damit es uns in herausfordernden Situationen zur Verfügung steht. Es ist allerdings leichter als wir denken. Zuschauen, und in den Dialog mit den inneren Empfindungen gehen reicht schon aus. Beobachtung der Atmung eignet sich besonders, da sie so oft am Tag durchgeführt wird und regelmäßige Beobachtung hier schnell zu hilfreichen Veränderungen führt.
Einsichten nutzen – Einfach mal dem Atem zuschauen
Neutral
Durch die Nase Atmen, oder Einatmen durch die Nase und Ausatmen durch den Mund. Natürlich Atmen und einfach nur den eigenen Rhythmus ,des eigenen Atmen wahrnehmen. Den Atem fließen lassen und ihn beobachten. Ein einfaches Mittel sich selbst Feedback zu geben, um z.B. einen mechanischen und neuronalen Aspekt des Atems besser wahrzunehmen ist eine Schnur. Eine Schnur auf Bauchnabelhöhe um den Rumpf gelegt und verknotet gibt hervorragendes‚selbstregulierendes‘ Feedback zur eigenen Atmung. Jedesmal wenn ich durch dieNase hauptsächlich mit dem Zwerchfell einatme drückt mein Rumpf in allen Richtungen, oder präferentiell auf einer Seite gegen die Schnur. Dies kann ichfür 10 Minuten oder während des ganzen Tages beobachten, je nachdem wie lange ich die Schnur verknotet um den Bauch tragen möchte. Eine einfache unauffällige Achtsamkeitsübung, die mehr bewirkt als wir denken.
Diese einfache Achtsamkeitsübung sollte dazu führen, daß wir kleine Detailsunseres Atems wahrnehmen. Je besser wir unseren Atem kennen, desto mehr sind wirin der Lage ihnzu verändern und zu verbessern. Die Herausforderung dabei ist die Einzelheiten wahrzunehmen ohne unseren natürlichen Rhythmus zu verändern. Haben wir diese Übung einmal mehrere Tage durchgeführt, sind wir in der Lage unserem Atem längere Zeit zuzuschauen ohne ihn bewußt zu verändern.Gleichzeitig ist unser eigener Atemrhythmus dann oft weicher und dynamischer geworden.
Gezielte + wechselnde Wahrnehmung
Mit gerichteter Aufmerksamkeit auf den eigenen Atem kann das Verständnis für unseren eigenen Atem verbessert werden. Aufmerksamkeit selbst ist eine Atemübung. Mit Aufmerksamkeit wird die Zusammenarbeit der verschiedenen Atmung und Bewegung steuernden Systeme in unserem Gehirn intensiviert und verbessert.
Nase – Mund
Wenn wir einige tiefe Atemzyklen durchführen atmen wir zuerst nur durch den Mund. Nach einiger Zeit atmen wir dann nur durch die Nase. Wir nehmen einfach wahr, wie sich die unterschiedlichen Atemmechanismen anfühlen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich mit der Mundatmung ein Angstgefühl, besonders in der Brust und um das Herz herum, aufbaut. Nehme war, wie sich das bei Dir anfühlt. Achte dann auf die Körperwahrnehmungen beim Atmen durch die Nase. Im Unterschied zum ‚Brustgefühl‘ bei der Mundatmung nehmen wir möglicherweise wahr, wie sich ein Gefühl der Entspannung durch unseren Körper ausbreitet.
Wenn man durch die Nase einatmet, bemerkt mann wahrscheinlich, daß der Körper irgendwie mehr ‚Kontrolle‘ über Volumen und Geschwindigkeit der aufgenommenen Luft hat. In Folge tendieren die Lunge beeinflussende Muskeln zu mehr Entspannung. Zuckendes, oder gestresstes kurzes Einatmen kommen so kaum vor. Tiefere Atmezübe werden mit dem Einatmen durch die Nase möglich.
Einfaches Einatmen durch die Nase ist gewöhnlich ein wichtiger erster Schritt mehr Kontrolle über seinen eigenen Körper zu bekommen. In stressvollen Situationen, kann Nasenatmung daher eingesetzt werden, sich selbst zu beruhigen und sich für wichtige Aufgaben vorzubereiten.
Als weiteren Schritt in der Beobachung von Nase-Mund-Atmung kann bei Einatmen durch die Nase einmal der Fokus auf die folgende Ausatmung gelegt werden. Atme dazu eine zeitlang durch die Nase ein und durch die Nase aus. Dann atme weiter durch die Nase ein aber durch den Mund aus. Erlaube Dir wahrzunehmen, was sich verändert. Möglicherweise erlaubt die Ausatmung durch den Mund ein angenehmeres und entspannteres Herauslassen der Atemluft. Schau‘ wie der Unterschied für Dich ausfällt.
Ausatmen durch die Nase, besonders in stressvolleren Situationen, tendiert oft zur Verstärkung eines Angstgefühls, da das Gefühl nicht schnell oder vollständig ausatmen zu können aufkommt.
Gelassenes Erkunden der Wahrnehmungen bei unterschiedlicher Mund- und Nasenatmung überzeugt einen selbst innerlich vielleicht davon wie für einen selbst die einfachste und natürliche Art zu Atmen ist. Möglicherweise erscheint die Einatmung durch die Nase und des Ausatmen durch den Mund als als die beste eigene Option. Herausfinden!
Rhythmus und Puls
Den eigenen Puls im Körper beobachten in Zusammenhang mit dem eigenen Athemrhythmus ist eine spannende Achtsamkeitsübung, die sehr viel ‚Inneneinblick‘ gibt. Wir können versuchen während wir tief Atmen unseren eigenen Puls im Körper wahrzunehmen. Erst in Körperbereichen in denen es uns leicht fällt oder spontan geschieht, und dann in anderen Körperregionen. Wir können so beim Atmen den Körper von Kopf bis Fuß, oder vom Rumpf nach Außen durchwandern und unseren Puls erspüren. Wir können die Atemübung abwschließen, indem wir versuchen einen Puls durch den ganzen Körper hindurch wahrzunehmen. Versuche dabei wahrzunehmen,wie sich der Puls mit der Tiefe des Atems oder seiner Geschwindigkeit verändert. Atmen wir schnell steigt meist auch unser Puls. Du kannst auch versuchen wahrzunehmen, wie der Puls mit dem Einatmen und mit dem Ausatmen zusammenhängt. Wenn Du einatmest steigt der Puls augenblicklich. Beim Ausatmen verlangsamt er sich wieder. Vor allem wennwir versuchen sehr langsam auszuatmen sinkt unser Puls gewöhnlich deutlich unter unseren Ruhepuls.
Natürlich Stehen
Die natürliche Standposition hat eine ganz enge Verbindung zum korrekten Atem. Eine aufrechte, ausbalancieerte Haltung wird beinahe nur vom Atem erezugt und gehalten. Es sollte dazu kein Kraftaufwand oder eine irgendwo erhöhte Muskelspannung nötig sein. Willentlich Muskelspannung zu erzeugen, um sich aufrecht zu halten verändert die Atmung und ermüdet sie gleichzeitig. Eine natürliche vom ‚guten Atem‘ aufgerichtete Haltung ist sehr stark und stabil. Sie ist die perfekte Haltung für koordinierte und balancierte Haltung injede Richtung, im Sport und im Alltag. Verschiedene Kampfkünste überprüfen eine stabile Haltung durch variablen Druck eines Partners.
Für die Stand-Atemübung versuche einfach eine entspannte Körperhaltung einzunehmen. Nirgendwo im Körper sollte Spannung sein. Findet sich doch irgendwo Anspannung kann sie mit gezieltem Atmen in diesen Bereich hinein verändert und aufgelöst werden. Die Haltung sollte aufrecht sein mit gerader Wirbelsäule und dem Kopf-Ohrbereich mittig über Becken und Fußgelenken. Die Schultenrn solten angenehm zurückgestellt und unten sein. Die Füße etwa Schulterbreit auseinander. Die Beine sind in den Knien leicht gebeugt und ohne Spannung. Die Hände können einfach an den Seiten herunterhängen oder auf das Beck gestützt sein.
In dieser ’natürlichen‘ stehenden Haltung dann einfach Atmen und den eigenen Atem im Körper beobachten. Atmen durch Mund oder Nase , oder durch die Nase ein und durch den Mund ausatmen. Nachdem der Atem so eine Weile beobachtet wurde, können für einige Zeit die Augen geschlossen werden. Mit geschlossenen Augen wird der Zusammenhang Atem-Haltung wieder anders wahrgenommen. Diese Wahrnehmung kann dann auch mehrfach wieder gewechselt werden. Einfach dabei immer den Atem beobachten und sein eigenes ‚Drumherum‘ wahrnehmen. Es gibt kein Ziel. Zuschauen selbst verändert schon. Dieses variable Erkunden ist ein natürlicher interner Mechanismus, der Bewegung und Handlung verbessert, den wir durch bewußtes Üben wieder anregen.
Schau‘ mal – die eigene Resilience finden und nutzen
Auseinandersetzung mit dem Atem, auch die reine Aufmerksamkeit, macht uns deutlich, daß Atem immer mit körperlichen, geistigen und emotionalen Zuständen verknüpft ist. Alles zeigt sich im Atem. Und den Atem beobachten, macht ihn anders, verändert den Atem.
Haben wir oft genug auf diese vielfältig beobachtende Art und Weise oder mit anderen Techniken mit unserem Atem interagiert, gibt es vielfältige anfänglich nur subtile Veränderungen. Kleine Veränderungen, die im Lauf der Zeit zu Gewohnheiten werden.
Gewohnheiten, die uns in die Lage Versetzen willentlich mit unserem Atem zu spielen oder unbewußt unseren Atem spielen zu lassen.
Wissen, daß sich unsere Zustände mit den Atem verändern führt zu einer erstaunlich wirkungsvollen Kompetenz, eine Art Resilienz.
Freiheit schaffende Widerstandsfähigkeit. Macht sich eine Schwere breit oder ist mein Wohlgefühl beeinträchtigt. Atme ich einfach. Angst vor schweren Zuständen läßt nach. Ich brauche mich nicht anderwärtig zu betäuben, oder Situationen vermeiden. Mit meinem vielfältigen Atmen. Meiner bewußten und unbewußten Kompetenz damit umgehen zu können, meinen Status verändern zu können, werden Blockaden überwunden. Atem, irgendwann unbewußt, befreit mich, baut mich auf. Mit meinen Atemmöglichkeiten gerate ich nicht in selbstlimitierende Situationen.
Mein Atem befreit mich. Ein einfaches Gefühl von Sicherheit, Angstlosigkeit, und Mut macht sich breit.
Atmen ist einfach. Ich atme mich selbst. Atmen, bewußtes Atmen ist ein Weg in die eigenen Ressourcen, in die eigene Kraft. Atmen holt die eigenen Kräfte in uns selbst zurück. Atmen bringt die eigenen Kräfte in uns selbst ans Tageslicht und macht sie wirksam. Die erfahrene Selbstwirksamkeit gibt einem ein befreiendes Selbstgefühl. So ist selbst erfahrendes Atmen besser als Rezepte von Außen, die mich eher abhängig machen. Mein eigenes Atmen, die Erfahrung und die direkte und indirekte Beübung meines Atems geben mir Zugang zu meinen eigenen Kräften. Ich bin von keinem Guru oder von keinem Wundermittel abhängig. Atmen steht mir in vielen Situationen immer zur Verfügung. Es braucht keine speziellen Bedingungen. Die Einfachheit des Atmens und unseres eigenen Umgangs damit ist eine der am stärksten unterschätzten Kraftressourcen. Eine Kraftressource für Körper und Geist.
Die meisten Dinge können wir nicht verändern. Wir können allerdings verändern wie wir damit umgehen. Und indem wir innerlich anders mit den Dingen umgehen verändern wir uns, unser Gehirn und unseren Körper. Bewußtes Zuschauen, achtsam, ein einfaches Rezept für Resilienz.